0317 - Der Seelenschmied
Tiefe grellroter, flüssiger Magma fand Nomuka den Chaifi bei seiner Tätigkeit. Hellweiß gleißte es auf, wenn der Schmiedehammer geschwungen wurde und einer Seele die rechte Form gab. Der Chaifi war so in seine Tätigkeit vertieft, daß er das Kommen des Dämons von Tahiti nicht bemerkte.
Als Chaifi für eine Weile innehielt, um sich das Werk zu betrachten, hatte Nomuka bereits gehandelt – und war entflohen.
Er hatte von Chaifi weder Seelen erbeten noch in aller Macht gefordert. Niemand kannte die wahre Macht und die Stärke des Chaifi. Deshalb griff Nomuka zu einer List.
Für jeden Dämon ist es ein Leichtes, alle Wesen Dinge sehen zu lassen, die nicht vorhanden sind. Erst nach einer Zeit vergehen die Illusionen, die Dämonen geschaffen haben, und der so gefoppte erkennt seine Narrheit.
Nomuka schuf, während der Chaifi angestrengt arbeitete, Dinge, die den Seelen täuschend ähnlich waren. Denn die Höhle des Chaifi war mit Nischen überzogen, in denen Seelen darauf warteten, das Gemüt eines Menschen darzustellen.
Nomuka setzte seine Zauberkräfte ein. Die wirklichen Seelen verschwanden, und dort, wo sie sich befunden hatten, entstanden Illusionen. Der Chaifi war so im Eifer seiner Arbeit, daß er nichts davon spürte. Als er sich umsah, um die neue Seele an ihren vorbereiteten Platz zu legen, war Nomuka verschwunden.
Und der Chaifi fiel auf die List herein. Er erkannte nicht, daß die Seelen in seiner Höhle keine Materie besaßen und nach einiger Zeit im Nichts vergehen würden. Er wandte sich wieder dem Feuer zu, um sich wieder der Arbeit zu widmen.
In diesem Moment belebte Nomuka, der Dämon von Tahiti, mit den gestohlenen Seelen die Körper der Piraten von Manaua-Naua.
Übergangslos trat wieder die gleiche tückische Intelligenz in die Miene des Schwarzen Garfield…
***
Die Sonne war hinter dem Horizont versunken. Der bleiche Silbermond ergoß sein Licht über die Wasser der Südsee, und die Sterne funkelten wie unzählige Diamanten und Saphire auf einem Tuch aus schwarzem Samt.
Mit ebenmäßiger Geschwindigkeit steuerte die »Columbina« auf Tahiti zu. Auf der Brücke gab der Erste Offizier dem Rudergänger den Kurs an.
Björn Sörens, ein hochgewachsener Däne, dessen Vorfahren sicher schon als Wikinger die Meere befahren hatten, hatte bereits das Kapitänspatent erworben und sollte im nächsten Jahr die »Columbina« übernehmen, wenn Kapitän Jeremy Thunder, bei der Mannschaft der »Alte Donnerer« genannt, für den Rest seines Lebens an Land blieb.
Björn Sörens mußte grinsen, wenn er daran dachte, daß der alte Donnerer nun bei einer Tätigkeit war, die er zutiefst haßte und verabscheute – der er sich jedoch nicht entziehen konnte.
Das festliche Kapitäns-Dinner. In blütenweißer Uniform saß Jeremy Thunder zwischen festlich gekleideten Menschen und mußte Konversation machen. Eine Sache, die ihm überhaupt nicht behagte.
Mehr als einmal biß sich der Kapitän auf die Lippen, als ihm ein deftiger Seemannsfluch darüber rutschen wollte.
Der Tisch, an dem der Kapitän seinen Platz hatte, war in der Mitte des großen Ballsaales gelegen. Das eigentliche Essen war vorüber.
Einige Paare tanzten zur Musik des Bord-Orchesters, andere führten halblaute Gespräche.
»Ach bitte, Kapitän!« meldete sich Priscilla Richardson zu Wort.
Die wohlbeleibte, juwelenbehängte Dame war der Ehedrachen von Andrew Richardson, den Carsten Möbius als einen der reichsten Männer von Texas vorgestellt hatte. Sie hatten bei den geschäftlichen Transaktionen in Dallas Kontakte gehabt. Doch auf dem Schiff hatte sich der Junior-Chef des Millionen-Konzerns jede geschäftliche Besprechung verbeten. Immerhin war er im Urlaub. Da nützte es auch nichts, daß der Steward für ein gutes Trinkgeld Zamorra und seinen Freunden den Tisch der Richardsons zugewiesen hatte und sie nun in den Genuß kamen, mit dem Allgewaltigen der »Columbina« zu speisen.
»Können Sie uns keine richtige wilde Seefahrergeschichte erzählen, Herr Kapitän?« fragte Priscilla Richardson, als ihr Jeremy Thunder seine Aufmerksamkeit widmete. »So was von wilden Meeresungeheuern, Wassergeistern und den Dämonen der Ozeane. Und den Klabautermann nicht vergessen!«
»Bloß nichts Dienstliches!« stöhnte Professor Zamorra und erntete bei dem texanischen Ehepaar und dem Kapitän vorerst Unverständnis.
»Professor Zamorra ist Parapsychologe und hat mit solchen Dingen zu tun!« erklärte Sabine Janner und bekam von Michael Ullich einen
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