0318 - Auf der Straße des Grauens
mit dem ich dich hertransportiert habe.«
Er grinste flüchtig.
»Kann mich nicht mehr auf die Marke besinnen.«
»Ein Falcon.«
Er nickte, aber sein Blick blieb voller Misstrauen.
»Niemand darf uns folgen, G-man. Ich spiele sofort nicht mehr mit, wenn du eine Meute Cops hinter uns herlotst.«
»Suchst du eigentlich eine Gelegenheit, mir eins über den Schädel zu schlagen und abzuhauen?«
»Unsinn!«, knurrte er. Er bereitete die Hände aus. »Ich bin unbewaffnet.«
»Und das wirst du auch bleiben, Ramy. Nimm zur Kenntnis, dass ich bei aller Freundschaft nicht zögern werde, dich matt zu setzen, wenn du einen schmutzigen Trick versuchst.«
Wortlos zog er seine Jacke an. Er sah trotzdem aus wie ein halber Tramp. Sein Gesicht war noch aufgedunsen vom Alkohol. Die Bartstoppeln umschatteten Kinn und Wangen. Die Augen schienen tiefer in die Höhlen gesunken zu Sein.
Ich ließ ihn vorgehen.
»Setz dich ans Steuer«, sagte ich, als wir vor dem Falcon standen. »Du kennst den Weg.«
Er fuhr über die Brooklyn Bridge, bog nach rechts ab in das Straßengewirr vor den Piers des South-Brooklyn Hafenbezirks. In der Willow Street fuhr er den Falcon an den Bordstein und stellte den Motor ab.
»Besser, wir gehen den Rest des Weges zu Fuß.«
Wir gingen nebeneinander, vorbei an den düsteren, schmutzigen Häusern des Bezirks. River benutzte eine der Unterführungen, die unter dem Furman Highway zu den Piers führten.
Über Schienenstränge hinweg, vorbei an rasselnden Kränen, donnernden Lastwagen, kreischenden Dampfwinden, stiefelten wir an den Piers entlang.
Nach zehn Minuten blieb River stehen. Er zeigte auf ein großes, fensterloses Gebäude in rund dreihundert Yards Entfernung.
»Das ist es«, sagte er.
Der Ziegelsteinbau musste ein ehemaliges Getreidesilo sein. Es besaß ein schräges Dach, von dem ein großer Teil der Bedeckung fehlte. Die Balken und Sparren ragten in den Himmel.
»Willst du allein gehen, G-man?«
Ich lächelte. »Lieber nicht, Ramy. Ich fürchte, ich würde dich bei der Rückkehr nicht mehr vorfinden, und falls in dem Bau unangenehme Überraschungen auf uns warten, bin ich dafür, sie warten auf uns beide.«
Er unternahm keinen zweiten Versuch, mich loszuwerden.
»Besser, wir schlagen einen Bogen«, sagte er verbissen und setzte sich in Bewegung.
Wir überschritten rostige Schienenstränge der Hafenbahn, die seit Jahren nicht mehr befahren worden waren. Auf diese Weise gelangten wir von der Rückseite an das Silo heran.
Die einzige Unterbrechung in der fensterlosen Wand bildete eine Bohlentür, nicht größer als eine gewöhnliche Zimmertür. Sie hing schief in den Angeln und war nicht verschlossen.
River stemmte die Schulter dagegen und drückte sie auf. Er ging voraus und ich folgte ihm rasch.
Dumpfer Geruch schlug mir entgegen. Der Innenraum erhielt Licht ausschließlich durch die fehlende Dachdeckung. Es reichte nur für eine Art Zwielicht.
Die Wände waren glatt. Keine Etage unterteilte den Bau. Ich hatte das Gefühl, im Innern eines riesigen, viereckigen Turmes zu stehen.
Obwohl eine dicke Staubschicht meine Schritte dämpfte, brach sich das Geräusch hohl an den Wänden. Das Silo wirkte wie ein Schalltrichter, der jeden Ton doppelt und dreifach verstärkte. Ich bekam einen Eindruck davon, als ein halbes Dutzend Ratten bei unserem Erscheinen in ihre Löcher fuhr. Ihr Quieken wurde von den Wänden zurückgeworfen und verstärkte sich zu einem irrwitzigen Gekreisch.
Bis auf den Staub und die Ratten war das Silo so leer wie meine flache Hand.
»Kein Auto!«, sagte ich zu River.
»Auto… Auto… to«, hallte es von den Wänden.
Der Hafengangster durchquerte den Raum und ging zur gegenüberliegenden Wand. Außer dem Eingang, den wir benutzt hatten, war hier der zweite Zugang zum Silo, ein großes doppelflügeliges Tor, das im Gegensatz zu der Bohlentür, durch die wir gekommen waren, fest verschlossen war.
River steuerte die Wand neben dem Tor an. In diese Wand eingelassen befand sich eine Stahlblechklappe von der Größe eines mittleren Bildes.
River versuchte sie zu öffnen, aber sie gab nicht nach.
»Verschlossen«, sagte er. Wieder rollte das Echo von den Wänden. Er sah sich suchend um, entdeckte in einigen Schritten Entfernung ein rostiges Stück Stahl von Armlänge, hob es auf und setzte es in einem Spalt zwischen Blechklappe und Mauerwerk an.
Das Schloss der Klappe war primitiv. Es sprang mit einem Knall auf, der in den Mauern des Silos wie ein Kanonenschlag
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