0318 - Auf der Straße des Grauens
konnte.
Im Keller wurde es immer dunkler.
Ich überlegte krampfhaft, wie ich den Lift stoppen konnte. Die Zahnstangen in den Führungsschienen, die ihn nach oben drückten, waren zu massiv, als dass eine Kugel ihnen etwas hätte anhaben können.
Ich versuchte es trotzdem, sprang zwei Schritte zurück und feuerte auf die rechte Stange.
Die Kugel schlug Funken aus dem Stahl und jaulte als Querschläger durch den Keller. Unbeirrt stieg die Plattform weiter hinauf.
Noch einmal drückte ich ab, wieder ohne Erfolg.
Schon fiel das Licht nur noch spaltbreit herab.
Marrows Lachen dröhnte.
»Wenn du Hunger bekommst, G-man, schlag die Zähne in die Wand! Vielleicht komme ich in ein paar Jahren wieder vorbei und sehr mir dein Skelett an!«
Der letzte Lichtstrahl verschwand. Es krachte ein wenig, als der Aufzug gegen die Endstelle schlug. Der Motor schaltete sich aus. Die Zahnstangen blieben stehen. Ihr knarrendes Geräusch erlosch.
***
Ich lauschte, aber die Kellerdecke war massivster Beton, und die Aufzugplattform mochte auch zwei oder drei Fuß stark sein. Sie dämpften die Geräusche so stark ab, dass ich nicht zu unterscheiden vermochte, was oben geschah. Ich hörte nur, wie ein Automotor angelassen wurde.
Dann lenkte ein anderes Geräusch mich ab - das Stöhnen eines Menschen.
»River?«, rief ich in die Dunkelheit hinein.
Wieder stöhnte er auf.
Ich tastete mich zu ihm hin, kniete neben ihm nieder und hob seinen Kopf hoch. Ich spürte, dass noch Wärme in ihm war.
»River, hörst du mich?«
»Ja«, hauchte er.
»Wo ist der Schalter für den Aufzug?«
Er setzte zum Sprechen an. Seine Worte waren so leise, dass ich mein Ohr an seinen Mund legen musste.
»Rückseite… rechter Pfeiler!«
Vorsichtig ließ ich seinen Kopf wieder auf den Boden gleiten.
Ich riss ein Streichholz an. Im Schein der kleinen Flamme suchte ich an dem rechten Pfeiler, in den die Zahnstange für den Aufzug eingelassen war, nach dem Schalter.
Ich entdeckte auf der Rückseite eine Stahlblechklappe gleich derjenigen oben neben dem Tor, nur kleiner. Auch sie war verschlossen.
Mit dem Lauf der 38er brach ich sie auf. Es gelang nicht auf Anhieb. Als die Lasche des Schlosses schließlich aus der Halterung sprang, hatte ich kostbare Minuten verloren. Auch das Motorengeräusch war nicht mehr zu hören.
Im Lichtschein des sechsten oder siebten Streichholzes, in der Schachtel klapperten höchstens noch ein Dutzend, sah ich endlich einen kleinen Schalter.
Ich legte ihn um, lauschte nach dem Brummen des Motors, dem Ächzen der Zahnstangen und blickte hinauf, in der Hoffnung, den ersten Lichtspalt zu sehen.
Die Plattform bewegte sich nicht, und es blieb still im Keller.
Ich opferte ein weiteres Streichholz. Vielleicht hatte ich den Schalter nicht richtig in die Kontakthalterungen gedrückt.
Ich probierte es wieder und wieder, bis die Streichholzflamme mir die Fingerkuppen versengte. Der Aufzug senkte sich nicht herab.
Ich ließ das Holz fallen. Die Flamme verlosch.
Leise lachte ich auf. Die Hoffnung, die ich mir gemacht hatte, war lächerlich. Um mich hier unten zu halten, brauchte Marrow nicht mehr zu tun, als den Hauptschalter für die Stromversorgung auszuschalten. Offensichtlich hatte er nicht vergessen, es zu tun. Ich saß so sicher gefangen, wie in einem mittelalterlichen Burgverlies mit keiner anderen Gesellschaft als der eines schwer verwundeten Mannes und ungezählter Ratten.
***
Ich kümmerte mich um River. Ich versuchte herauszufinden, wie schwer er verwundet war. In der Dunkelheit gelang es mir nur unvollkommen. Mindestens eine Kugel hatte ihn in den Rücken getroffen und war in seinem Körper stecken geblieben.
Ich zog meine Jacke aus und schob sie ihm unter den Kopf.
»Gibt es irgendeinen Ausgang aus dem Keller?«, fragte ich ihn vorsichtig.
»Weiß…nicht…« flüsterte er. »Glaube… nein!«
Ich schob mir eine Zigarette zwischen die Lippen und opferte eines meiner kostbaren Streichhölzer. Ich überdachte die Aussichten, die River und mir blieben, jemals aus diesem Loch wieder herauszukommen.
Dass irgendwer aus Zufall in das Silo kam, war unwahrscheinlich. Die Gangster hätten sonst den Bau nicht als Versteck für den Bentley benutzt.
Aber selbst, wenn jemand sich hierher verlaufen sollte, so würde ich ihn nicht hören, und er mich auch nicht, selbst wenn ich mir die Lunge aus dem Hals schrie.
Phil würde sich natürlich auf die Socken machen, wenn ich in den nächsten vier, fünf Stunden nichts von mir
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