0318 - Die Zombie-Hexe von Tahiti
Also machen Sie, daß Sie vom Grundstück kommen. Und wenn Sie tausendmal ein Studienkollege von Monsieur Leclerc waren - das spielt doch nun keine Rolle mehr.«
»Meinen Sie?«
»Ja.«
Der erste Wachmann senkte seine rechte Hand auf das offene Pistolenholster am Gürtel.
Zamorra sah ihn an. Es hatte keinen Sinn, einen offenen Streit vom Zaun zu brechen. Die beiden Wachmänner, so unhöflich sie auch waren, befolgten nur den Befehl ihrer Chefin. Und vielleicht gehörte es zu ihrer Taktik, bewußt unfreundlich aufzutreten, um jedem Unerwünschten von vornherein die Lust am Zurückkommen zu nehmen. Natürlich warf dieses Abwimmeln ein bezeichnendes Licht auf die Chefin, Lydie Leclerc.
Zamorra war sicher, daß sie ihrem Mann absolut nicht nachtrauerte. Nicht, wenn das stimmte, was Olivier am vergangenen Abend erzählt hatte.
Und erst recht nicht, wenn sie ihn wirklich selbst ermordet hatte.
Wenn Zamorra mehr erfahren wollte, mußte er es anders versuchen. Er stieg wieder ein, startete den Motor, wendete und fuhr davon.
Ania Rao im Fond schwieg immer noch.
»Wollen Sie mit uns zu Mittag essen?« fragte Nicole sie. Aber Ania schüttelte nur den Kopf.
Nicole lächelte. »Um das Bezahlen machen Sie sich keine Sorgen. Wir laden Sie ein, ja? Und dann erzählen Sie uns dabei noch ein wenig mehr. Auch Nebensächlichkeiten, die vielleicht gar nichts mit dem Fall zu tun zu haben scheinen. Erzählen sie uns auch etwas über Tahiti und über die Stadt im Besonderen. Je mehr wir wissen, desto besser können wir Ihnen helfen.«
»Nun gut«, sagte Ania leise.
***
»Dieser Zamorra… was wollte er?« fragte sich Lydie Leclerc nachdenklich. Daß dieser Mann so überraschend hier auftauchte, gefiel ihr nicht. Sie kannte ihn nicht. Olivier hatte zwar einmal von ihm erzählt. Aber dieser Zufall, daß er ausgerechnet jetzt auf Tahiti war, und daß er jetzt erneut hier auftauchte, gab ihr zu denken.
Sie hatte ihn, wie alle anderen Besucher, abwimmeln lassen. Der einzige, der freien Zutritt hatte, wenn er kam, war Etienne Moraui. Aber Etienne würde sich erst gegen Abend sehen lassen.
Das gab Lydie Zeit, sich mit Zamorra zu befassen. Sie mußte erfahren, wer dieser Mann war. Er konnte ein harmloser Tourist sein, er konnte aber auch gefährlich sein. Sie mußte es herausfinden und ihn, wenn nötig, beseitigen. Das würde das geringste der Probleme sein.
Wie man so etwas unauffällig bewerkstelligte, wußte sie ja jetzt. Was einmal geklappt hatte, würde auch ein zweites Mal funktionieren, und Opfer gab es genug, die für einen Seelentausch geeignet waren.
Vorerst aber, beschloß sie, würde sie diesem Zamorra nachspüren.
***
Rao-Toa wollte Rache. Er war jetzt sicher, daß Lydie Leclerc die Schwarzhaarige war, die seinen Meister ermordet hatte. Denn der Mord an ihrem Gatten war nur mit den magischen Kenntnissen möglich gewesen, die der Alte gelehrt hatte.
Rao-Toa hielt es für eine Perfidie sondergleichen, einen Unschuldigen in das Geschehen einzubeziehen und mit zum Opfer zu machen. Aber wie sollte er Gus Lavier, dem Freund seiner Schwester, helfen? Für ihn gab es keine Chance mehr, so oder so. Denn die Hexe ließ sich nicht zu einem Geständnis zwingen. So leid es Rao-Toa um Lavier und auch um Ania tat -er konnte den beiden nicht helfen. Er konnte Lavier nur abschreiben. Aber er konnte zusehen, daß keine weiteren Menschen mehr der Hexe zum Opfer fielen. Er mußte sie ausschalten.
Es würde nicht leicht sein. Denn sie mußte sehr viel gelernt haben, und das in relativ kurzer Zeit. Vielleicht konnte sie noch viel mehr, als Rao-Toa ahnte.
Aber er mußte es einfach darauf ankommen lassen.
Er nahm an, daß sie sich in ihrer Villa befand. Rao-Toa trat an den Käfig, in dem er einen Falken hielt. Das Tier, das er für teures Geld gekauft hatte, war nicht einmal zur Jagd abgerichtet, aber das war auch nicht wichtig. Rao-Toa wollte nicht mit dem Vogel beizen. Er benutzte ihn als Werkzeug, so wie die Hexe Gus Lavier benutzt hatte.
Er ließ die Tür des Schuppens weit offen, in dem der Käfig stand. Dann öffnete er die Gittertür. Der Vogel, dem er nicht einmal einen Namen gegeben hatte, weil er es nicht für nötig hielt, flatterte aufgeregt. Er merkte, daß ihm etwas bevorstand, was ihm nicht gefiel.
»Ganz ruhig, Vögelchen«, sagte Rao-Toa leise. »Ganz ruhig bleiben, mein Freund.« Und er konzentrierte sich darauf, den Vogel zu übernehmen. Er versetzte sich in Trance-Starre und löste seinen Geist schnell und sicher
Weitere Kostenlose Bücher