0318 - Die Zombie-Hexe von Tahiti
von seinem Körper. Dann glitt er in den Körper des Falken hinein. Das Tier besaß kein so starkes Bewußtsein, daß es sich gegen ihn hätte wehren können. Fast mühelos übernahm Rao-Toa die Kontrolle.
Übergangslos sah er sich mit den Augen des Falken.
Ein zur Säule erstarrter menschlicher Körper stand draußen vor dem Käfig und bewegte sich nicht. Der Geist des Vogels, der in ihn verdrängt worden war, mußte sich erst mit den Gegebenheiten abfinden. Er vermochte derzeit einfach nicht, den Körper des Mannes zu beherrschen. Er kam mit der Umstellung nicht klar.
Anders Rao-Toa. Der Tahitianer hüpfte aus dem Käfig, breitete die Schwingen aus und flog. Er steuerte den Vogelkörper aus dem Schuppen hinaus ins Freie. Er drehte einige Proberunden, dann flog er in Richtung Papeete und zur draußen vor der Stadt liegenden Villa der Leclercs.
Schon nach kurzer Zeit hatte er sie erreicht. In der Luft konnte er den kürzesten Weg nehmen, war nicht an die manchmal recht gewunden verlaufenden Straßen gebunden. Er umflog die Villa in großer Höhe. Nichts Verdächtiges war zu spüren. Die Hexe unternahm wohl im Moment nichts.
Niemand achtete auf den Falken, obgleich der hier eigentlich auffallen mußte. Aber Rao-Toa landete auf einem der Balkone. Er überlegte, wie er als Vogel in das Haus eindringen konnte. Sicher, leichter denn als Mensch allemal, denn wer würde schon in einem Vogel einen Feind vermuten? Aber dennoch gab es Grenzen und Hindernisse. Allerdings kannte Rao-Toa kein anderes Tier, das geeignet war. Entweder waren sie zu groß, oder sie besaßen nicht die nötigen Fähigkeiten und Kräfte.
Er startete wieder und kreiste um die Villa, dicht an den Fenstern entlang und sehr langsam. Er versuchte, hineinzusehen und etwas zu erkennen. Aber das Fensterglas verhinderte es. Der Falke gab einen wütenden Schrei von sich und flatterte heftig.
Von einem Moment zum anderen spürte er Magie. Eine kräftigen Schub, einen Impuls, der aus der Villa kam und an dem Falken vorüberwehte. Fast hätte er sich vor Überraschung zu spät darauf eingestellt, aber dann konnte er doch lokalisieren, wo etwa sich die Hexe in diesem Haus befand. Genau auf der anderen Seite in einem Zimmer im ersten Stock.
Rao-Toa flog hinüber. Flügelschlagend verharrte er fast auf der Stelle. Aber er spürte nur eine dünne, fadenartige Verbindung. Was das für ein Impuls gewesen war, den die Hexe ausgesandt hatte, und was er bezweckte, blieb unklar.
Da war sie, hinter diesem Fenster…
Du hast den Alten ermordet, dachte der Falke grimmig. Blindlings griff er an. Er flog auf das Fenster zu, knallte gegen die Scheibe. Das Glas zerbarst, Splitter flogen nach innen. Die Hexe fuhr herum, sah ihn kommen und wußte noch nicht so richtig, was eigentlich los war. Sie hatte sich in ihr magisches Experiment versenkt und war jetzt gewaltsam daraus hervorgeholt worden. Sie mußte sich orientieren. Der Falke dagegen war von dem Aufprall gegen die Fensterscheibe benommen; er hatte es sich einfacher vorgestellt, als es gewesen war. Er hatte als Mensch gedacht und nicht in Betracht gezogen, daß ein Vogel eine schwächere Konstitution besaß.
Trotzdem hörte er die Hexe entsetzt aufschreien. Sie taumelte bis zur Tür zurück. Rao-Toa flatterte heftig. Er folgte der Hexe und schrie. Er wollte sie mit dem Schnabel und mit den Klauen angreifen. Aber sie schlug nach ihm. Ihre Faust traf und schleuderte ihn durch die Luft. Er stieß gegen einen Schrank und stürzte ab. Auf dem Boden hatte er sich wieder so weit unter Kontrolle, daß er erneut abheben konnte. Er kam in die Luft. Jetzt aber hatte sich die Hexe endgültig von ihrem Schrecken erholt. Sie riß die Tür auf und schlüpfte hindurch, knallte sie vor dem Vogel zu. Draußen auf dem Korridor war ihre Stimme zu hören. Sie rief nach den Wächtern, daß sie sich des angriffslustigen, tollwütigen Vogels annahmen.
Rao-Toa flatterte zum Fenster und schwang sich hinaus. Er sackte durch, fing sich aber wieder. Hastig entfernte er sich. Als er gerade die Privatstraße erreicht hatte, schoß jemand auf ihn.
Die Kugel traf ihn. Ein reißender Schmerz durchfuhr ihn, und er verlor die Kontrolle. Er konnte sich nicht mehr in der Luft halten, stürzte ab und schlug irgendwo auf.
Niemand dachte daran, den Vogel zu verfolgen. Wichtig war nur, daß der Falke keine weiteren Menschen mehr angreifen konnte. Er mußte tot sein, so wie er gestürzt war.
Der Wachmann, der gefeuert hatte, war mit seiner Schießkunst
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