0319 - Götzenbrut
lag auf der Hand der Figur.
Aber war es noch eine Figur?
Nein, der Stein war abgebröckelt und hatte denjenigen preisgegeben, der sich unter ihm befand.
Ein gewisser Sanchez. Und zwar der Ahnherr des Bürgermeisters, der sich vor vielen hundert Jahren gegen Okastra gestellt und versucht hatte, die schlimmen Zeiten aufzuhalten. Dies war ihm nicht gelungen, und so hatte sich eine Pattsituation ergeben. Und noch etwas konnte man als außergewöhnlich bezeichnen.
Die Leiche unter dem Stein war nicht zerstört worden. Sie wirkte wie eine Mumie, wobei sie in der Größe nicht zusammengeschrumpft war.
Es rann Suko kalt den Rücken hinab, als er sich das Grabmal aus der Ferne anschaute. Bis vor kurzem noch war er davon überzeugt gewesen, daß die Figur mit dem Schwert und dem Totenschädel lebte. Genaueres konnte er darüber nicht sagen.
Er befand sich noch einige Schritte vom Grab entfernt, als er feststellte, daß es sich noch immer nicht geschlossen hatte. Nach wie vor bildete es eine Falle, und nach wie vor lag der kopflose Körper des Henry Darwood davor.
Vor dem Grab blieb Suko stehen. Er schaute hinein, sah in die dunkle Tiefe und dachte daran, daß der Berg, auf dem er sich befand, in seinem Innern ein schreckliches Geheimnis verbarg. Es war das Reich der Monsterspinnen.
Wer sie an ihrem Kern treffen wollte, mußte eigentlich in den Berg hineinklettern, wobei Suko mittlerweile davon überzeugt war, daß es John Sinclair geschafft hatte. Möglicherweise fand er dort seinen besten Freund.
Tot oder lebendig.
Der Inspektor schwitzte trotz des kühlen Windes, der über den einsamen Bergfriedhof wehte. Selten in seinem Leben hatte er sich in einer so starken Zwickmühle befunden. Er wußte wirklich nicht, was er zuerst machen sollte.
Da war einmal das Schicksal seines Freundes. Zum anderen auch die Spinnen, die sich an Sukos Verfolgung gemacht hatten und bald auf dem Friedhof erscheinen würden.
Das Innere des Berges war kein Versteck für den Inspektor.
Und dann gab es da noch das Denkmal. Mit einem Menschen, der schon längst gestorben war und dennoch so seltsam aussah.
Suko dachte darüber nach, ob er diesem Toten eine Information entlocken konnte. Er hatte das Gefühl, als würde in dem Mann mit dem Schwert noch Leben stecken.
Nur, wie sollte er das herausfinden?
Die Entscheidung wurde ihm abgenommen. Suko, der wieder einen Blick in die Tiefe warf, glaubte, so etwas wie eine Bewegung erkannt zu haben. Genaues hatte er nicht gesehen. Es konnte auch eine Veränderung der Dunkelheit sein oder ähnliches, jedenfalls hatte sich seiner Ansicht nach etwas verändert.
Und so blieb er stehen. Etwas tanzte vor ihm in der Öffnung. Es schwankte von einer Seite zur anderen, so daß Suko Mühe hatte, dieses Etwas zu identifizieren.
Bis er den Faden sah.
In diesem Augenblick ging ihm ein ganzer Kronleuchter auf. Was da aus dem Grab klettern wollte, war eine Monsterspinne.
Also hatten doch nicht alle die Tiefe des Berges verlassen. Es wurden immer mehr Gegner.
Suko veränderte seinen Standort. Er blieb nicht mehr vor dem Grab stehen, sondern ging vorsichtig zurück und suchte Deckung hinter einem kantigen Grabstein, der die Form eines Rechtecks mit abgerundeten Kanten aufwies. Dort blieb er zunächst hocken.
Sekunden vergingen.
Ruhe herrschte auf dem Friedhof. Hoch über Suko zogen in der Luft einige schwarze Vögel ihre Kreise, das war alles, was er an Tieren sah.
Auf dem Totenacker selbst hielten sie sich zurück. Wahrscheinlich spürten die Tiere das unheimliche Flair stärker als die Menschen.
Der Inspektor ließ das offene Grab nicht aus den Augen. Lange brauchte er nicht zu warten.
Die Spinne schob sich aus der Öffnung. Sie hatte Mühe, ihren Körper durch das Rechteck zu drücken, schabte mit den Seiten an den Rändern entlang und kam schließlich ins Freie.
Suko hatte sich hinter seine Deckung geduckt. Er sah zwar die Spinne, aber, was für ihn viel wichtiger war, er entdeckte auch das, was die Spinne zwischen den beiden Vorderfüßen hielt.
Eine Frau!
In diesem Fall waren die Akteure vor Überraschungen nicht sicher.
Und auch Suko erlebte stets neue. Er hatte die Frau zwar nie gesehen, aber sie war ihm in London beschrieben worden.
Es konnte sich nur um Claudia Darwood handeln.
Sie befand sich in der Gewalt der Spinnen, und sie lebte noch, wie Suko erkennen konnte.
Selbst ein Mann wie der Chinese wurde bei diesem Anblick nervös. Er fragte sich, aus welchem Grund die Spinne Claudia Darwood
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