0319 - Götzenbrut
nicht getötet hatte. War sie zu einem Spielzeug degradiert worden?
Noch hatte das Monstertier den Chinesen nicht gesehen, und Suko machte sich noch kleiner, als er hinter der rechten Seite des Steins hervorpeilte.
Die Spinne hatte das Innere des Berges verlassen. Auf sechs Beinen bewegte sie sich in Sukos Richtung, kam aber nicht bis zum Grabstein, sondern blieb auf halber Strecke stehen.
Suko stand auf.
Nicht hastig, nicht schnell, sondern mit geschmeidigen Bewegungen, die dennoch ein gewisses Zeitlupentempo, aufwiesen. Sein Gesicht war angespannt, und er hatte die Augen leicht zusammengekniffen.
In der Haltung eines Starters blieb er. Noch tat die Spinne der Frau nichts, und Suko wollte erst eingreifen, wenn tatsächlich Not am Mann war.
Er lauerte weiter.
Claudia Darwood war nicht bewußtlos. Sie bewegte ihre Arme, die Beine hielten nur ihre Hüften fest, und sie schrie sogar auf, als sie aus der Klammer fiel und zu Boden prallte. Dabei lag sie nicht einmal weit vom Torso ihres Bruders entfernt.
Suko besaß zwar keinen Beweis, doch er ahnte, was diese verfluchte Monsterspinne vorhatte. Und er sollte sich nicht geirrt haben. Das Tier öffnete sein breites Maul.
Suko sah es nicht von vorn, nur im Profil, und er jagte aus seiner Deckung wie ein Irrwisch.
Ob die weiße Riesenspinne etwas bemerkt hatte, konnte er nicht sagen, jedenfalls nahm sie keine Notiz von Suko, und als es soweit war, befanden sich bereits die drei Riemen der Dämonenpeitsche dicht über ihrem Körper.
Noch in derselben Sekunde trafen sie.
Es war ein regelrechter Hammerschlag geworden. Suko hatte Wut und Zorn hineingelegt, und der weiße Körper der Spinne wurde in der gesamten Breite aufgeknackt, wobei das riesige Tier sich drehte, bevor die Beine wegknickten und es zu Boden krachte.
Auf die Seite war es gefallen. Die Beine bewegten sich hektisch.
Suko konnte nicht rasch genug ausweichen. Er wurde einmal an der Schulter getroffen und hatte das Gefühl, von einem Pferdehuf gestreift worden zu sein. Er mußte zurück, fing sich wieder und sah, daß ein zweiter Schlag nicht mehr nötig war.
Die Spinne verging!
Ihr Körper wurde zerteilt, war zerknackt worden und zerfiel in zahlreiche Einzelteile.
Der Inspektor atmete auf.
Er trat dicht an den Grabrand, schaute in die Tiefe, denn er rechnete damit, daß ein weiteres Tier folgen würde.
Das war nicht der Fall. Diese Spinne schien die einzige gewesen zu sein.
Endlich konnte sich Suko um die Frau kümmern. Bevor er sich neben sie kniete, warf er noch, einen Blick über den Friedhof.
Er war leer.
Und auch die Spinnen aus dem Dorf hatten ihn noch nicht erreicht.
Suko schaute die Frau an. Er blickte in ein blasses Gesicht. Es schien zu einem Vampir zu gehören, denn unter der Haut war alles Blut gewichen.
Mit beiden Handflächen schlug Suko leicht gegen die Wangen der Frau und sprach sie ein paarmal mit ihrem Namen an, wobei er hoffte, daß tatsächlich Claudia Darwood vor ihm lag.
Sie öffnete die Augen.
Selten hatte Suko im Blick eines Menschen soviel Angst, Erschrecken und Nichtbegreifen gesehen. Das alles summierte sich bei der Frau, als sie die Lippen Öffnete und schreien wollte.
Sacht legte ihr Suko eine Hand auf den Mund. »Sie sagen jetzt nichts«, flüsterte er. »Sie sind in Sicherheit!«
Ob die Frau ihn verstanden hatte, wußte er nicht. Er beobachtete zunächst nur ihre Augen, aus denen allmählich der ängstliche Ausdruck verschwand und sie wieder einigermaßen normal schauten.
Da zog Suko seine Hand zurück.
»Gerettet?«
Die Frage hörte er kaum, so leise war sie an ihn gestellt worden.
Lächelnd nickte Suko. »Ja, Sie sind gerettet, Claudia Darwood.«
»Woher kennen Sie mich?«
»Ich komme aus London.«
»Was?«
Suko reichte ihr die Hand. »Wir haben nicht viel Zeit. Ich will Ihnen helfen. Können Sie aufstehen?«
»Ja, ja…«
Ein wenig wacklig stand sie schon auf den Beinen, und Suko mußte sie festhalten. Er hatte Claudia Darwood so gedreht, daß ihr Blick nicht auf die Leiche des Bruders fallen konnte.
Die Frau begann zu weinen. Hemmungslos. Suko ließ sie, obwohl die Zeit drängte, aber er konnte sich gut vorstellen, daß Claudia Schreckliches hinter sich hatte.
Als ihre Tränen versiegt waren und sie sich mit Sukos Taschentuch die Nase geschneuzt hatte, redete sie von allein. »Sie haben die Spinne tatsächlich getötet?«
»So sieht es aus.«
»Und er hat es nicht geschafft!«
»Wen meinen Sie damit?«
Aus rot geränderten Augen blickte
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