032 - Das Monster aus der Retorte
Schuld erfordert seine Sühne, so sind
nun mal unsere Gesetze. Aber so wie die Dinge liegen, scheint es mir, daß Sie
gewissermaßen unschuldig in eine Situation gerieten, für die Sie nicht
verantwortlich gemacht werden können.“ Sie nickte. „Ich glaube, Sie haben
recht.“ Ihre Stimme klang noch immer dunkel und rauh, dafür konnte sie nichts.
Aber ihre Worte waren schon freundlicher und wurden zutraulicher, so daß Larry
in seinem Gefühl bestärkt wurde, es mit einem tief leidenden menschlichen Wesen
zu tun zu haben. Er bemühte sich, die äußere Erscheinungsform zu vergessen, die
ihn ständig an das Animalische dieses Wesens erinnerte. „Es war wie in einem
Rausch“, fuhr sie fort, ohne daß Larry eine diesbezügliche Frage gestellt
hätte. „Selbst wenn ich zurückdenke, kommt es mir so vor, als hätte ich alles
nur geträumt. Es ist so fern, so unwirklich – genauso war es gestern Abend, als
ich die junge Frau überfiel und mich in den Besitz des Wagens brachte. Es war
wieder der Haß in mir – der Haß auf alles Menschliche.“ Ihre dunklen Augen
blickten hilfesuchend auf Larry. „Auch in der vorletzten Nacht war es so – als
ich in dem alten Haus war, um mein früheres Zimmer aufzusuchen. Ich fand eine
Fremde vor, und ich glaube, ich tötete sie. Ein Assistent Professor Yondos war
mir gefolgt. Offenbar wollte er mich zurückholen. Dabei stieß er auf zwei
Fremde, die sich ebenfalls im Haus aufhielten. Es kam zu einem Zusammenstoß...“
Sie rollte, so gut sie sich noch erinnerte, die Dinge noch einmal auf. Doch
diese Dinge streiften das Interesse des PSA-Agenten nur, denn der Name Yondo
war gefallen. Das gab ihm die Möglichkeit nachzuhaken. Larry war der festen
Überzeugung, daß Yondo und das Aussehen und Verhalten dieser Frau in einem
Zusammenhang standen. Um eine Klärung zu finden, war es notwendig, tiefer zu
loten. „Was hat Yondo mit Ihnen zu tun?“ Larry stellte die Frage direkt. „Er
wollte mir helfen – aber er tat es anders, als ich erwartete. Er behauptete
nach den ersten fünf Sitzungen, daß meine Erbanlagen durch die radioaktive
Verseuchung seinerzeit in Hiroshima mutiert seien. Die herkömmlichen
Behandlungen, was ich über mich ergehen ließ, brachten nur wenig oder gar
keinen Erfolg. Ich litt an schweren Schwindelanfällen und an zeitweisem
Gedächtnisschwund, die auf die radioaktiven Einwirkungen zurückzuführen war.
Ich erhielt den Tip, mich an Yondo zu wenden. Er galt als hervorragende
Koryphäe auf dem Gebiet der Strahlenheilkunde. Wegen seiner unkonventionellen
Wege, die er ging, war er jedoch von verschiedenen Seiten schon
stark angefeindet worden. Man hat ihm sogar die Ausübung seiner Tätigkeit
untersagt. Aber viele Strahlengeschädigte wandten sich dennoch an ihn und
wollten von ihm behandelt werden. Heimlich versagte er nie seinen Rat und seine
Hilfe. Er half auch mir. Sie sehen, was aus mir wurde. Und das seltsame daran
ist, daß mich mein Äußeres selbst nicht mehr erschreckt. Mein Gefühl, mein
Denken – es deckt sich mit meinem Aussehen. Ich weiß jetzt nicht, ob Sie
verstehen, was ich meine? Es ist so schwer zu beschreiben.“
Larry Brent nickte. „Ja, ich glaube, ich weiß, was in
Ihnen vorgeht.“ Sie erzählte jetzt mit einem Mal sehr bereitwillig über ihr
Leben. X-RAY-3 erfuhr, daß sie bis vor zwei Jahren noch ganz normale
menschliche Züge getragen hätte, sich aber schließlich während der Behandlung
bei Yondo, wo sie in einem seltsamen Glaszylinder kontrollierter Strahlung
ausgesetzt wurde – immer mehr verändert hätte. „Zuerst wuchsen die
Haare. Sie waren mit einem Mal überall auf meinem Körper. Zunächst flaumig und
weich, dann verfärbten sie sich, wurden hart und dicht. Aber seltsamerweise
verspürte ich niemals eine Anwandlung von Furcht. Ich hatte den Glauben, es
müsse einfach so sein. Ich gehörte sowieso nicht mehr zu den Menschen; ich war
anders, eine Veränderte, eine Mutation . Nun wurde das sichtbar, was ich
wirklich war: ein Zwischenwesen, weder Affe noch Mensch. Yondo erklärte es mir
so: In uns allen ist der Kern des Ursächlichen enthalten. Die Urzelle trägt
jeder in sich. Und sie birgt das Geheimnis unserer wahren Herkunft. Der Kern
aber ist verdeckt durch die Veränderungen, die der Mensch im Lauf seiner
Entwicklung und Geschichte durchmacht. Die Umwelt trug zu seiner Umwandlung
ebenso bei wie die Erlebnisse, die ihn formten, wie die Strahlungen, die seit
Urbeginn aus dem All die Erde treffen und deren Zusammensetzung
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