032 - Das Monster aus der Retorte
„Irgend jemand“, sagte er einfach.
„Das ist keine Antwort!“ Reima Tanizaki hob
nachdrücklich die Waffe. „Ich bin es gewohnt, daß man mir höflich und
zuvorkommend antwortet, wenn ich ebenso frage.“ „Es war Tonko.“ „Tonko?“
Der Einäugige nickte. „Ja.“
So sehr Tanizaki sich auch bemühte, es gelang ihm
nicht, dem anderen noch weitere Einzelheiten zu entlocken. Der Bursche schwieg,
als hätte man ihm ein Pflaster auf den Mund geklebt.
„Weiter! Zu Yondo. So war doch unsere Abmachung.“ „Sie
werden es bereuen“, lautete die gepreßte Erwiderung. Der Mann vor ihm stieg
jetzt die ausgetretenen Kellertreppen in die Höhe und kam vor einer alten,
schwarzen Holztür an. Ein verrosteter Riegel verschloß sie. Der Mann legte den
Riegel um. Dann ging er durch die Tür. Ein langer Flur lag vor ihnen. Dann
wieder eine Tür. Dahinter Geräusche.
Tanizaki hörte das leise, rhythmische und saugende
Geräusch einer Pumpe. Irgendwo in einem riesigen Behälter sprudelte eine
Flüssigkeit. „Sie wollten es so haben“, sagte der Einäugige. „Yondo liebt keine
Besuche. Wer unangemeldet in dieses Haus kommt – kehrt grundsätzlich nicht mehr
zurück.“ Im ersten Augenblick hatte er das Gefühl, in das legendäre Labor des
Barons von Frankenstein geraten zu sein. Eine Anzahl von flachen Arbeitstischen
flankierte die Wand rechts neben der Tür. Farbige Kabel und zahlreiche gläserne
Säulen hingen in einem hohen, bis zur Decke reichenden Gestell. Kleine
Apparaturen summten und surrten, und hektische, farbige Schatten wurden an die
Wände und die Decke geworfen. Rechts hinter einer klapprigen Pritsche hing an
der Wand eine riesige Karte, die die Entwicklung des Urmenschen zeigte, der
sich angeblich aus dem Affen entwickelt hatte. Genau in der Mitte des
geräumigen, mit weißem Kalk getünchten Labors stand eine mehr als mannsgroße
Glassäule, die auch etwa doppelt so dick war. In dieser Säule stand ein Wesen,
groß, stark, gewaltig. Es atmete, und es stand bis zu den Knien in einer
grünlich-gelben, sprudelnden Flüssigkeit, die langsam von einer unsichtbaren
Pumpe abgesaugt wurde. Der Einäugige trat einen Schritt zur Seite, als wolle er
damit dem Mann hinter sich die Möglichkeit geben, die Dinge noch genauer zu
sehen. Die Gestalt in der Säule war ein Mensch, der affenähnliche Züge trug.
Sein ganzer Körper war mit langen, dunklen Haaren bedeckt; die affenartigen
Arme hingen kraftvoll und muskulös an den Seiten herunter. Der Schädel des
unheimlichen Wesens in der Retorte war ebenfalls dicht behaart, aber das
Gesicht war frei und zeigte helle, menschenähnliche Haut und menschliche Augen.
Nur der Mund war etwas aufgeworfen. Die Ohren waren klein und standen ein wenig
ab. Die Größe und die Stärke des Ungeheuers irritierte und beschäftigte
Tanizaki. Er begriff die Welt nicht mehr!
In der letzten Stunde war zu viel auf ihn eingestürmt.
Er mußte es erst verdauen. Es war ihm nicht bewußt, daß er die Waffe ein wenig
gesenkt hielt. An der Reaktion des Einäugigen bemerkte er seine Nachlässigkeit.
Aus den Augenwinkeln nahm er die Gefahr wahr. Sofort ruckte die Pistole wieder
in die Höhe. „Ich bin noch auf Draht“, sagte Tanizaki. „Ich kann mich auf zwei
Dinge gleichzeitig konzentrieren, wenn es sein muß“, fügte er hinzu. Er wandte
dabei kaum merklich den Blick und erkannte, wie schwer es ihm fiel, die
Aufmerksamkeit von dem abzuwenden, was sich ihm hier bot. So etwas Eigenartiges
war ihm noch nie begegnet. Tausend Fragen drängten sich ihm auf, aber ihm wurde
auch bewußt, daß er nicht mehr die Kraft aufbrachte, die Dinge hier zu einem
guten Ende zu führen. Der hohe Blutverlust machte sich bemerkbar. Tanizaki
mußte unbedingt seine Dienststelle benachrichtigen. Von dort konnte man sofort
einige Leute herschicken, die sich der Sache annahmen. Verbotene
Experimente... mit Menschen und Tieren... mit... Leichenteilen? Die letzte
Idee kam ihm, als er ein wenig den Blick wandte und auch die schattengleiche
Gestalt in der Nische hinter der Glassäule mit dem affenartigen Wesen wahrnahm.
Tanizaki mußte die Augen zusammenpressen, um deutlicher zu sehen. Auf einem
kleinen Podest stand eine Gestalt, eine Frau offensichtlich, darauf wiesen die
schulterlangen Haare hin. Ihr zierlicher Körper war nackt, an zahlreichen
Stellen dicht behaart, so daß Brüste und Bauch kaum auszumachen waren. Die Arme
wiederum waren zum Teil hell, zum Teil mit runden und eckigen fellähnlichen
Hautstellen
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