032 - Die magische Seuche
mich so erschreckt hat, war mein Name. Und mein Titel als Bürgermeister.“
„Das unterstreicht“, sagte ich, „die Tatsache, daß es sich um eine Halluzination gehandelt hat.“
„Natürlich“, meinte er. „Ich habe auch lange überlegt, ehe ich hergekommen bin, das können Sie mir glauben, Herr Doktor!“
Ich untersuchte ihn noch gründlich und versicherte ihm anschließend, daß sein Organismus in bester Ordnung wäre.
„Wie erklären Sie sich eine solche Halluzination?“ fragte er, nachdem er einen Seufzer der Erleichterung ausgestoßen hatte.
„Oh!“ rief Nelsy. „Es ist nicht zu glauben, was in einem menschlichen Gehirn vorgeht, ohne daß wir uns dessen bewußt werden. Denken Sie an die Träume. Dazu kommt bei Ihnen noch die Sorge, die Überarbeitung, der ununterbrochene Spannungszustand. Aber nun können Sie ruhig schlafen!“
Ich servierte den Aperitif. Als Leonard Grel uns verließ, war er heiter und guter Dinge.
Inzwischen war Clara gekommen. Unser Abendessen verlief nett und heiter, und Clara, die von den Geschehnissen völlig unbeeindruckt war, schien besonders gut gelaunt zu sein.
Als es läutete, erwachte ich. Es war heller Morgen. Ich sah auf die Uhr: sieben Uhr. Zu dieser Zeit stand ich gewöhnlich auf. Ich ging zum Fenster.
Eine alte Frau hielt den Zeigefinger auf unsere Klingel gedrückt. Ich kannte sie: es war Leonard Greis alte Haushälterin.
Ein entsetzlicher Gedanke durchfuhr mich, und als ich die Treppe hinunterlief, dachte ich immer wieder: Nein, es kann nicht sein! Nein, das nicht! Nein, nein, nein!
Aber die alte Frau bestätigte meine Befürchtung. „Kommen Sie schnell, Herr Doktor! Der Bürgermeister liegt auf seinem Diwan, in seinem Büro, ich konnte ihn nicht aufwecken!“
Ich glaube, ich brauchte weniger als eine Minute, um mich anzukleiden. Bevor ich ging, rief ich Leon an. Er war schon auf.
„Ich fahre zu Grel. Komm sofort hin!“
„Was gibt’s? Was ist passiert?“
Aber ich legte auf.
Ich sprang in meinen Wagen und ließ die Haushälterin einsteigen. Die arme Frau zitterte am ganzen Körper.
„Ich stehe sehr zeitig auf“, sagte sie. „Besonders im Sommer. Ich dachte, der Bürgermeister schliefe in seinem Zimmer, und begann mit den Vorbereitungen für sein Frühstück, so wie immer. Als ich in sein Büro ging, um dort zu lüften, fand ich ihn auf dem Diwan. Die Stehlampe brannte noch. Ich wollte ihn wecken, aber er rührte sich nicht, und seine Hände waren ganz kalt.“
Leon kam zu Fuß zur gleichen Zeit beim Haus des Bürgermeisters an wie wir. Er war sehr bleich und atmete schwer.
Die alte Frau sperrte die Tür auf.
Der Bürgermeister von Hercenat lag auf seinem roten Diwan, hatte die Augen geschlossen und schien zu schlafen.
Ich legte ihm die Hand auf die Stirn. Sie war kalt.
Nach einigen Minuten, während wir den Bürgermeister schweigend untersucht hatten, sagte Leon mit einer seltsam hohlen Stimme: „Der Tod muß etwa um Mitternacht eingetreten sein.“
„Das würde ich auch sagen“, nickte ich.
Ich sah ein wenig befangen den Fernsehapparat an, der auf einem Tischchen an der gegenüberliegenden Wand stand. Und ich sagte mir immer wieder: Nein, das ist unmöglich, das kann es einfach nicht geben.
Nelsy fragte die Haushälterin: „War er gestern abend so wie immer oder hat er über irgendwelche Beschwerden geklagt?“
„Wie immer, Herr Doktor. Er hat um acht Uhr zu abend gegessen. Nicht besonders viel. Vielleicht war er ein bißchen unruhig.“
Als sie gegangen war, sahen wir einander stumm an. Dann rief Leon: „Nein, ich weigere mich einfach zu glauben, daß so etwas möglich ist.“
„Ich weiß nicht.“ Ich schüttelte den Kopf.
„Wir dürfen jetzt nicht die Nerven verlieren“, meinte er. „Daß eine Krankheit, die bislang unbekannt war, hier auftaucht, na gut, das kann ich noch akzeptieren. Daß es meteorologische Erscheinungen gibt, auf die sich keiner der zuständigen Herrschaften einen Reim machen kann, bitte. Aber daß mitten in einer Fernsehsendung ein maskierter Mann auftaucht, der unserem Bürgermeister seinen Tod voraussagt und dazu recht behält, nein, da weigere ich mich. Das ist unmöglich.“
„Absolut unmöglich“, seufzte ich. „Das sieht jedes Kind ein. Aber Grel ist tot. Woran ist er gestorben? Es gibt keine Spur, die auf ein Verbrechen hinweist, Gift scheint mir ausgeschlossen. Es gibt nur noch eine Möglichkeit.“
„Zweifellos haben wir den gleichen Gedanken.“
„Der Schreck. Die
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