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032 - Die magische Seuche

032 - Die magische Seuche

Titel: 032 - Die magische Seuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B.R. Bruss
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fassen. Ich glaube, daß ich mich soweit bringen kann, nicht mehr daran zu denken.“
    Und sie sprach nie mehr davon, noch kam je eine Klage aus ihrem Mund.
    Wir machten uns eben für das Abendessen bereit, als es an unserer Tür klingelte.
    Ich ging selbst öffnen, da unser Hausmädchen ihren freien Tag hatte. Philippe Ormeil stand vor mir. Es war seine Art, unerwartet zu erscheinen. Er war mir aber deshalb nicht weniger willkommen.
    „Was führt dich her?“ fragte ich, während wir ins Haus gingen.
    „Nichts. Ich komme, um mich zum Abendessen einzuladen.“
    „Ach, schmeckt dir das Essen im Weißen Turm nicht mehr?“
    „Doch, doch, aber ich hatte Lust auf Tapetenwechsel.“ .
    Ich war trotzdem ein bißchen erstaunt, ihn allein zu sehen. „Ist Leon nicht am Nachmittag zu dir hinausgekommen?“ fragte ich.
    „Er ist gekommen, aber bald wieder gegangen. Er sagte, er hätte noch eine Verabredung. Ich störe doch nicht?“
    „Nicht im geringsten. Lucie wird sich freuen, dich zu sehen. Sie wird einfach ein Gedeck mehr auflegen.“
    „Sehr gut, sehr gut“, sagte er lachend und rieb sich die Hände. „Wann wird der Braten aufgetragen?“
    Trotz seines gewohnten Humors schien er mir nervös. Aber seine Gegenwart tat mir wohl, denn der Nachmittag war in angespannter Atmosphäre verlaufen, obwohl Lucie sich bemüht hatte, heiter und fröhlich zu erscheinen.
    Während des Essens vermieden wir die heiklen Themen und sprachen über Musik und Malerei. Aber Philippe schien mit seinen Gedanken anderswo zu sein.
    Als wir beim Kaffee angelangt waren, schien er aus seinem Traum in die Wirklichkeit zurückzukehren und sagte plötzlich:
    „Dieser Voutel, der da kürzlich gestorben ist …“ Er sah Lucie an und unterbrach sich mitten im Satz.
    „Du kannst ruhig darüber sprechen“, sagte ich fest. „Ich weiß jetzt, daß Lucie alles hören und ertragen kann.“
    „Nein“, er schüttelte den Kopf und machte eine kleine, abwehrende Handbewegung. „Es hat keine Bedeutung. Ich wollte von dir nur einige Details erfahren, weil du ihn sofort nach seinem Tod zu Gesicht bekommen hast. Aber das hat Zeit, wir sprechen ein andermal darüber.“
    Er verfiel wieder in Nachdenklichkeit und trank schweigend seinen Kaffee.
    „Einen Kognak?“ bot ich an.
    „Ja! Ja, ein Kognak wird mir guttun. Ein Kognak, oder vielleicht auch zwei.“
    Ich hatte ihn noch nie so gesehen. „Was ist nicht in Ordnung, Philippe?“ fragte ich.
    „Ach, nichts. Die ganze Sache beginnt mir auf die Nerven zu gehen. Die ewigen Geschichten von Leuten, deren Beine, Zehen oder Ohren länger oder kürzer werden, und die sterben, weil man ihnen ein winziges Stückchen Fleisch abschneidet.“
    Ich sah Lucie an. Sie schien unbewegt. „Man wird über kurz oder lang ein Gegenmittel finden, Philippe“, sagte sie.
    „Was weiß ich“, meinte Philippe mürrisch. „Bis jetzt sieht es jedenfalls nicht so aus.“
    Wir schwiegen.
    „Ihr findet mich heute unausstehlich, was?“
    „Ein bißchen nervös“, sagte ich.
    „Da solltet ihr einmal meine Kollegen da oben in dem Narrenturm sehen. Um gleich bei Luern, dem Chef, zu beginnen …“
     

     
    „Professor Luern schien mir aber ein eher ruhiger Mann zu sein, als du Leon und mich ihm vorstelltest.“
    „Sicher, das war einmal. Ich selbst habe ihn immer so gekannt. Aber du solltest ihn seit etwa fünf oder, sechs Tagen sehen. Seit er sich in die Aufklärung der Mini-Tornados verbissen hat und merkt, daß er mit seiner Weisheit am Ende ist, ist es nicht mehr auszuhalten mit ihm. Es macht ihn verrückt, daß er keine Lösung finden kann. Vor einigen Tagen, als wir ihn zum Mittagessen erwarteten, kam er ganz aufgeregt von einem Rundgang um das Gebäude zurück, gestikulierte wild mit seinem Fernglas und rief: ‚Ich habe es gesehen! Diesmal habe ich es gesehen! Ich habe nicht geglaubt, daß es so etwas tatsächlich gibt, aber ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen. Nicht mal hundert Meter entfernt. Das Licht, den dunklen Wirbel, den Wasserguß … alles innerhalb weniger Sekunden.“
    Philippe unterbrach sich für einen Augenblick, um seinen Kognak zu trinken. Ich schenkte nach.
    „Dann zog er uns hinaus, denn der Briefträger war von der Erscheinung getroffen worden und lag regungslos auf der Straße. Als wir hinkamen, war er schon tot.“
    „Und was denken deine Kollegen im Weißen Turm über die Sache?“
    „Jeder steht vor einem Rätsel. Sie sind alle schrecklich nervös, und du weißt, Nervosität ist

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