032 - Seelenträger
unter einem wahren Dornenhagel aus. Obwohl ihre gespickten Körper bereits an Seeigel erinnerten, ließ er ihnen noch die Köpfe abschlagen. Die Widerstandskraft der Dykaner wurde ihm langsam unheimlich.
Im Inneren des Hydrosseum war es stockdunkel, doch der Gestank, der ihnen entgegenschlug, ließ keinen Zweifel zu. Obwohl Quan'rill auf alles vorbereitet zu sein glaubte, musste er sich übergeben, als im Licht der Handscheinwerfer das ganze Ausmaß des Schreckens sichtbar wurde.
Der Boden der Eingangshalle war knietief mit Fischgräten, leeren Schild51 krötenpanzern, angefressenen Kraken und ausgeweideten Delfinen übersät.
Ein gärender Haufen organischen Abfalls, der jeden Gedanken an Nahrungsaufnahme verbot, selbst einem Hydriten, der ins Fleischfresserstadium zurückgefallen war. Es war aber weniger der Anblick der toten Tiere, der sie alle so entsetzte, sondern vielmehr die bleichen Hydritenschädel, die zwischen dem Unrat hervor schimmerten.
Im hinteren Teil der Halle zeichneten sich die Umrisse weiterer Beutetiere ab, die von der Gefräßigkeit der Frevler verschont geblieben waren. Zwei Haie und ein zerlegter Blauwal hingen an eisernen Haken von der Decke… und ein halbes Dutzend Hydriten. Sie gehörten zu den Vermissten aus den oberen Städten.
Obwohl sich Quan'rill selbst dafür verfluchte, suchte er unter den Toten nach Norrills Gesicht. Natürlich war das Unsinn. Sie war schon vor Monaten verschwunden, als noch niemand ahnte, was in dieser verlassenen Tiefseestadt vor sich ging.
Ein leises Rascheln riss Quan'rill aus seinen düsteren Gedanken. Es war mehr Instinkt als wirkliche Beobachtung, dass er die Bewegung am Rande des Lichtkegels bemerkte. Zwei Flossenschläge später kreiste er über der Stelle, an der eben noch ein Flossenkamm aus dem modrigen Untergrund geragt hatte.
»Komm da raus, Kannibale!«, forderte er, das Druckluftgewehr im Anschlag.
Er hatte kaum ausgesprochen, als der Boden explodierte.
Gräten und Fischreste wirbelten in die Höhe, während sich der Hydrit, der sich im Dreck verborgen hatte, auf ihn zu katapultierte. Der Strahl der Handlampe reflektierte auf einem beidseitig geschliffenen Dolch, den ihm der Dykaner zwischen die Rippen jagen wollte.
Quan'rill wich der Attacke mit einer geschickten Körperdrehung aus und hämmerte dem Frevler den Gewehrkolben ins Gesicht. Kal'rag und Tar'zo schossen sofort herbei und packten den Kerl bei den Armen. Obwohl er sich wie ein Wahnsinniger aufbäumte, rangen sie ihn mit vereinten Kräften zu Boden. Knackend zerbrach sein Handgelenk; der Dolch versank zwischen den Fischresten Quan'rill verspürte kein Mitleid mit dem stöhnenden Mar'os-Jünger. Das Blut zwischen seinen Zähnen zeigte, dass er kurz zuvor gefressen hatte.
»Schlimm genug, dass ihr Ei'dons Gesetze brecht«, stieß Quan'rill voller Ekel hervor, »doch warum vergreift ihr euch an eurem eigenen Volk?«
Der Frevler zeigte nicht den geringsten Hauch von Schuldbewusstsein.
Er war ein hagerer Hydrit, dessen Haut sich im Alter grau gefärbt hatte. Das zügellose Leben hatte sich tief in sein schuppiges Gesicht gegraben, als wären die Falten mit einem Messer hinein geschnitten worden. Mit erhobenen Haupt blickte er in den Lauf des Druckluftgewehrs, das auf seine Brust zielte.
»Mar'os sagt: Das Herz des Feindes verleiht dir die Kraft zum täglichen Kampf«, brummte er in tiefem Ton.
Quan'rill war versucht einfach abzudrücken, doch irgendetwas hielt ihn davon ab. Vielleicht das Wissen, dass danach nur noch die schale Leere nach dem gewonnen Kampf kam.
»Mar'os Lehren sind die Wurzel allen Übels«, gab er verächtlich zurück, wohl wissend, das er mit seinen Worten nichts erreichte. »Darum folgten die Hydriten einst Ei'dons Weg, der uns in eine bessere Welt führte.«
Die wulstigen Lippen des Dykaners verzogen sich zu einem gehässigen Grinsen.
»Ausgerechnet du berufst dich auf Ei'don? Du hast doch selbst seine Lehren verraten, um ein ewiges Leben in wechselnden Körpern anzustreben. Baust eine neue Kaste auf, die deinen Namen trägt und lässt dich wie ein König hofieren. Wahrlich, Quan'rill, du bist Mar'os viel näher als ich es je sein werde. Du genießt deine Macht in vollen Zügen, wie es unser Urvater allen Hydriten befahl. Glaub mir, eines Tages wirst auch du nicht mehr widerstehen können und von der verbotenen Frucht essen. Wenn du erst einmal gekostet hast, willst du den Rausch der Macht, der damit verbunden ist, nicht mehr missen wollen. Du wirst es
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