032 - Töchter der Nacht
hat sie genügend Platz, denn ich habe drei Kabinen für uns belegt.«
»Was sagt sie selbst dazu?«
»Ach, sie ist sehr traurig darüber. Es wäre mir lieb, wenn Sie sie heute noch besuchen könnten. Sie ist wirklich ein sehr netter Kerl und ein liebenswürdiger Charakter. Morgen fährt sie nach Southampton. Wollen Sie nicht zum Dampfer gehen, damit sie nicht einen so traurigen, einsamen Abschied hat? Ich kann Cecile in ihrem jetzigen Zustand nicht gut allein lassen.«
»Ja, das mache ich selbstverständlich sehr gern«, erwiderte Jim Bartholomew rasch. »Haben Sie keine Ahnung, aus welchem Grund Ihre Frau die Reise so plötzlich aufgibt? Ich dachte, sie freue sich sehr darauf, wieder in die Vereinigten Staaten zu kommen.«
»Nein, sie war nie sehr begeistert von dieser Reise. Sie hatte allerdings auch nichts dagegen. Ihre Freundin, Mrs. Dupreid, fährt ebenfalls mit dem Dampfer, und so glaubte Cecile, daß in ihrer Gesellschaft diese Schiffsreise noch ganz erträglich werden könnte. Nun, ich bin sehr enttäuscht. Wie sie dazu gekommen ist, unsere Pläne umzustürzen - ich weiß es nicht. Aber ich habe mir zum Prinzip gemacht, nie in meine Frau zu dringen, so unbegreiflich ihre Entscheidungen gelegentlich auch sein mögen. Ich habe es aufgegeben, mich zu wundern oder aufzuregen - und fahre nicht schlecht dabei!«
Jim lachte.
»Haben Sie Zeit, jetzt mit mir zu kommen? Ich möchte Sie gern in meinem Wagen mitnehmen.«
Jim zögerte.
»Warten Sie bitte einen Augenblick!«
Er ging in die Bank zurück und suchte Sanderson auf.
»Ich gehe für ungefähr eine Stunde aus. Wenn ich dringend gebraucht werde, dann rufen Sie mich an bei Mr. Cameron.«
Der Assistent nickte. Er war noch immer in bester Stimmung.
»Ich glaube nicht, daß Ihre Anwesenheit heute nachmittag erforderlich ist, Mr. Bartholomew. Ich habe den Streitfall wegen der Rechnung von Jackson and Wales in Ordnung gebracht, und Sie können die Schlußabrechnung heute abend unterschreiben.«
Auf der Fahrt nach Moor House zog Frank Cameron Jim mehr ins Vertrauen, als er es je zuvor während ihrer zwölfmonatigen Bekanntschaft getan hatte.
»Cecile ist seit dem Tod ihrer Schwester nie mehr ganz die alte geworden. Diese Schwester starb damals in New York am Typhus. Ich sagte Ihnen schon früher, daß Cecile gerade noch rechtzeitig ankam, um sie noch einmal sehen zu können. Die Mitglieder ihrer Familie hingen stark aneinander, und ich fürchtete wirklich, daß das Ereignis ihrem Gemüt ernstlich geschadet hätte. Um ganz offen zu sein, Jim - der Gedanke hat mich nie ganz losgelassen, und ich bin auch heute noch sehr besorgt um sie. Ich habe damals darauf bestanden, daß sie einen Spezialisten aufsuchte. Als wir das letzte Mal in New York waren, habe ich ihm alle meine Befürchtungen anvertraut, aber er konnte keine schwerwiegende Störung feststellen. Er sagte nur, ihr jetziger Zustand wäre die Folge eines schweren Schocks. Sie sei übernervös, aber das ließe sich ohne weiteres heilen. Margot war natürlich eine großartige Stütze für uns in dieser schwierigen Zeit, wie sie es übrigens immer gewesen ist. Wie stehen Sie eigentlich zu Margot?« fragte Frank unvermittelt.
Jim wurde rot.
»Ich - ich liebe sie«, erwiderte er etwas stockend.
»Das dachte ich mir«, sagte Frank. Er unterdrückte ein Lächeln, als er die Frage stellte: »Nun, und was wollen Sie in der Angelegenheit weiter unternehmen?«
»Ich möchte sie fragen, ob sie mich heiraten will, aber das geht noch nicht - mit meinem verhältnismäßig kleinen Einkommen als Direktor einer Provinzbank . . .«
»Sie wissen doch, daß Margot eigenes Vermögen besitzt?« unterbrach Frank.
»Das ist es ja gerade. Doch, ich bin zuversichtlich, vertraue auf mein - Glück, wenn man es so nennen kann, und bin fest davon überzeugt, daß es mir gelingen wird, meinen Weg zu machen. Sobald Margot abgefahren ist, gebe ich meinen Posten bei der Bank auf und fange etwas anderes an, das mehr Aussichten hat. Ich weiß schon, was Sie sagen wollen ...« Jim hob seine Hand. »Sie wollen mir eine Stellung anbieten - Sie sind ein reicher Mann, und ich zweifle nicht daran, daß Sie mir eine Position verschaffen könnten, in der sich Geld verdienen ließe. Aber das genügt mir nicht. Und Sie würden auch keine besondere Achtung vor mir haben, wenn ich auf ein solches Angebot einginge.«
»Da mögen Sie recht haben -«, antwortete Frank nach einer kurzen Pause, »und darum schätze ich Sie ja auch tatsächlich,
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