032 - Töchter der Nacht
»Also, auf Wiedersehen!«
Jim kehrte in sein Zimmer zurück und schloß die Tür.
Mrs. Cameron war mit dem Drei-Uhr-Zug fortgefahren, der in Bristol Anschluß an den Schnellzug nach Schottland hatte. Sie war eine Stunde früher abgefahren als Margot, die den Zug nach, Exeter nahm, um später in Yeovil den Zug nach Southampton zu erreichen.
Einen Augenblick hatte Jim zu hoffen gewagt, daß es Margot gewesen wäre.
Er mußte mit Frank darüber sprechen, der konnte ihm alles erklären. Er ging zum Telefon, aber dann überlegte er es sich anders. Mrs. Cameron würde wohl kaum ihren Plan geändert haben, ohne sich vorher mit ihrem Mann darüber zu verständigen. Jim erinnerte sich genau, daß Frank ziemlich gleichgültig geäußert hatte, seine Frau wolle einen Besuch in Schottland machen. Sonst hatte er kaum etwas über ihren neuen Entschluß gesagt. Es war merkwürdig.
Als er am Abend zum Essen nach Moor House kam, glaubte er schon, Cecile Cameron im Wohnzimmer zu treffen, aber sie war nicht dort, und Frank erwähnte sie auch nicht. Das war ein außergewöhnlicher Umstand, denn er war stets sehr um sie besorgt und wurde sonst nicht müde, über sie zu sprechen.
Die Unterhaltung stockte dauernd, und Jim fühlte sich sehr einsam, weil ihm Margot fehlte. Er sprach ganz offen über sie, und Frank ermutigte ihn dazu. Es schien Jim fast so, als ob Frank Mrs. Cameron nicht erwähnen wollte. Als Jim einmal andeutete, Cecile könnte vielleicht Schwierigkeiten gehabt haben, um den Expreßzug nach Schottland zu erreichen, fing er sofort von etwas anderem zu sprechen an.
9
Jim ging ziemlich niedergeschlagen nach Hause. Er kam sich unglücklicher und verlassener vor als am Nachmittag. Ein leichter Sprühregen fiel. Er hatte seinen Regenmantel im Büro zurückgelassen, aber er mußte auf seinem Nachhauseweg ohnehin an der Bank vorbei. Er suchte in seinen Taschen nach dem Büroschlüsselbund -ja, er hatte ihn eingesteckt.
Als er seine Schritte beschleunigte, überholte er nach einer Weile den patrouillierenden Polizeiinspektor.
»Eine häßliche Nacht, Mr. Bartholomew!« sagte der Beamte, als er den Bankdirektor erkannte. »War das vorhin das Auto von Mr. Cameron - nicht weit von der Bank? Es fiel mir auf, als ich die High Street hinaufkam ... Sehen Sie, dort steht es noch!«
Er zeigte auf das rote Schlußlicht eines auf der gegenüberliegenden Straßenseite abgestellten großen Wagens.
»Nein, das kann nicht das Auto von Mr. Cameron sein. Steht der Wagen schon lange dort?«
»Etwa eine halbe Stunde. Dann gehört er wahrscheinlich einem Gutsbesitzer aus der Gegend. Heute abend findet nämlich ein Schülerkonzert in der Church Hall statt.«
Die Stadt Moorford war sehr aufs Sparen erpicht, und die Verwaltung hatte beschlossen, die Bogenlampen in hellen Mondnächten nicht anzuzünden. Da nach dem Kalender an diesem Abend der Mond scheinen sollte, brannten die Laternen nicht, obwohl schwere Wolken den Himmel bedeckten und der Regen immer dichter wurde. Jim konnte nicht einmal die Umrißlinien des Wagens auf der gegenüberliegenden Straßenseite erkennen.
Als die beiden die Bank erreichten, machte Bartholomew seine Schlüssel bereit und blieb vor dem Seiteneingang stehen.
»Wollen Sie noch arbeiten?«
»Nein, ich will nur schnell nach meinem Regenmantel sehen. Ich hole Sie gleich wieder ein.«
Jim schloß die Tür auf und betrat das Bankgebäude. Der Inspektor ging weiter und sah an dem großen Haus hinauf. Die Fenster der Räume über der Bank, wo Mr. Stephen Sanderson wohnte, waren beleuchtet. Auch im Büro des Assistenten brannte Licht.
Er war kaum ein Dutzend Schritte weitergegangen, als er einen Schuß hörte und sich hastig umdrehte. Er lauschte, hörte aber weder einen Schrei noch sonst irgendein Geräusch. Trotzdem mußte es unweigerlich ein Schuß gewesen sein. Der Inspektor war ein alter Soldat und irrte sich in dieser Beziehung nicht. Rasch ging er zur Bank zurück und blickte durch das große Fenster in die Halle. Er entdeckte eine Gestalt an der Glastür, die zu Sandersons Büro führte, und klopfte.
Dann eilte er zum Seiteneingang. Die Tür war nur angelehnt, obwohl er sich deutlich erinnern konnte, daß Bartholomew sie verschlossen hatte.
Mit der Taschenlampe leuchtete er in den Eingang und trat dann ins Haus. Auf der linken Seite des Ganges befand sich eine Tür - er drückte die Klinke nieder und stand gleich darauf im Privatbüro Jim Bartholomews. Das Zimmer war leer, aber der Schlüssel steckte im
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