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ausstaffiert worden war, hatte man es leidlich bequem, und da Telors Bauernspieß zwischen zwei Äste geschoben worden war, gab es sogar so etwas wie eine Rücklehne. Einige Minuten lang saß man einfach da und starrte sich an, nicht imstande zu glauben, dass es sicher war, sich jetzt zu entspannen. Dann atmete Telor tief und zittrig durch, ließ den Kopf gegen den Ast, an den er sich lehnte, sinken und schloss die Augen, riss sie jedoch sogleich wieder auf.
„Wir müssen Wache halten", murmelte er, und seine Stimme hatte vor Erschöpfung dumpf geklungen.
Deri war beinahe ebenso müde wie Telor. Er war sehr grob behandelt worden, nachdem man ihn niedergeschlagen hatte, und hatte sich anstrengen müssen, mit Telor und Carys Schritt zu halten, denn die beiden hatten auf Grund der Angst, die sie vorantrieb, vergessen, dass er drei Schritte machen musste, wenn sie einen Schritt machten.
„Ich werde Wache halten", erbot sich Carys. „Ich bin nicht verprügelt und gefesselt worden."
Deri nickte. Ihr Vorschlag war vernünftig. „Lasst mich nicht länger als bis zum Mittag schlafen", sagte er. „Ich muss versuchen, mir eine neue Steinschleuder zu machen, und dann Kiesel suchen."
Telor schlief bereits. Carys kroch auf den dicksten Ast, von dem aus sie die Straße sehen konnte, und streckte sich darauf aus. Den Kopf legte sie auf ihr Seil. Da sie wusste, dass man sich gut versteckt hatte, war sie nicht sehr wachsam, und außerdem gab es wenig zu beobachten, da die Straße nicht viel benutzt wurde.
Gelegentlich hörte Carys den schwachen Klang von Stimmen, die, wie sie richtig vermutete, die von Schiffern waren, die sich auf dem Fluss anschrien. Auch auf der Straße herrschte etwas Verkehr, aber keiner der Reisenden machte Anstalten, auch nur in die Nähe des Baums kommen zu wollen. Je höher die Sonne stieg, desto seltener kamen Menschen vorbei. Sie stand noch nicht im Zenit, als Deri hart auf den Ast hämmerte und Carys bedeutete, zu ihm zu kommen. Als sie bei ihm war, riet er ihr leise, sie solle jetzt schlafen, während er eine neue Steinschleuder machen würde.
„Ich bin nicht müde", entgegnete sie. „Mir knurrt der Magen. Ich werde sehen, was ich zu essen auftreiben kann." Sie seufzte. „Wir haben nicht einmal Brot." Dann schaute sie hoffnungsvoll Deri an. „Ich könnte nach Creklade gehen und ein neues Speisehaus finden, wo man mich nicht kennt..."
„Nein", sagte Deri entschlossen. „Bis zur Stadt sind es mehr als zwei Meilen hin und zurück, und du würdest es nicht schaffen, hin- und zurückzulaufen, ehe man nach uns sucht. Vielleicht ist es überhaupt nicht sicher, wenn du jetzt aufbrichst, um Essen aufzutreiben."
„Ich werde nicht weit gehen", versprach Carys, „und mich nur in Richtung der Stadt entfernen, fort von Marston. Ich hoffe, nach dem Regen gestern Wiesenchampignons zu finden. Mit wilden Zwiebeln schmecken sie sehr gut."
Auch Deri war hungrig. Daher nickte er, warnte Carys jedoch, sie solle Telor, ihn und sich nicht vergiften. Darauf reagierte sie nur mit einem Naserümpfen. Um nicht schon auf dem Hinweg etwas tragen zu müssen, ging sie, ohne etwas einzusammeln, am Fluss entlang und schaute wiederholt in beide Richtungen, um sicher zu sein, dass kein Boot sich näherte. Am Waldrand fand sie einige Erdbeeren, pflückte sie und legte sie auf ihre Tunika, die sie ausgezogen hatte, um einen Tragebeutel zu haben. Dann ging sie auf Pilzsuche, fand jedoch weniger Champignons, als sie gehofft hatte.
Schließlich wurde sie sich bewusst, dass sie schon sehr lange fort war. Daher eilte sie zum Fluss zurück und schreckte zusammen, als sie plötzlich jemanden hinter sich hörte.
„Es tut mir Leid, dass ich dich erschreckt habe", sagte Telor. „Deri und ich haben uns Sorgen um dich gemacht." Er verzog die Lippen zu einem Lächeln. „Außerdem sind auch wir hungrig."
Carys starrte ihn einen Moment lang an, hielt den Atem an und senkte dann die Lider. Sie erinnerte sich, dass sie versprochen hatte, mit ihm zu schlafen, sobald sie allein seien, doch nun war sie unsicher. Reichte es nicht, dass sie ihm das Leben gerettet hatte? Sie bekam eine Gänsehaut, als sie sich erinnerte - es war kein Schmerz, sondern eine Art wachsenden Abscheus, der sie krank machte, wenn sie mitbekommen hatte, wie ein Mann grunzend eine Frau besprang. Und dieses Gefühl hatte sie sogar dann gehabt, wenn sie sich gelegentlich dazu entschieden hatte, mit einem Mann zu schlafen - eines schönen Gesichtes oder Körpers
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