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032

Titel: 032 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Seiltänzerin
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„Du hast Orins Gefolgsmann niedergeschlagen und versucht, ihn selbst zu töten ..."
    „Ich verarge es ihm nicht, dass er mich bestrafen will", unterbrach Telor. Er hatte jedoch geistesabwesend geklungen, und seine blauen Augen waren noch immer auf die Straße gerichtet, wo die Soldaten hinter einer Kurve verschwunden waren. Dann holte er tief Luft und schaute
    Carys an. „Oh, Carys! Kannst du mir verzeihen, dass ich diese dumme, hässliche Angelegenheit höher halte als die süße Beschäftigung des Liebesspiels? Ich weiß, du bist verärgert, aber ich schätze deine Schönheit und deinen Wert nicht geringer als Hass und Rachedurst. Das schwöre ich, Carys. Doch es wird noch Zeit genug für Liebe sein, wenn wir nicht mehr gejagt werden. Und wenn mein Herz rein ist, wird es umso schöner werden."
    Benommen schüttelte Carys den Kopf und brachte es fertig zu murmeln: „Ich bin nicht verärgert."
    Beinahe hätte Telor, da er dachte, sie habe gelogen, die Stirn gefurcht. Er hatte die unterschiedlichsten Erfahrungen mit Frauen, die durch die Feststellung, dass er sich durch das, was sie für frivole Angelegenheiten hielten, von ihnen ablenken lassen konnte, wütend geworden waren. Die meisten hatten getobt oder geweint, und er hatte versucht, sie zu beschwichtigen. Einige wenige hatten jedoch gesagt: „Ich bin nicht verärgert", und dabei hatten sie entweder gelacht oder geseufzt. Aber jede einzelne dieser Frauen hatte versucht, ihn auf die eine oder andere Weise zu verletzen, um sich an ihm zu rächen. Es war jedoch klar, dass Carys wirklich nicht verärgert war, und Telor dankte Gott dafür, dass sie keine vornehme Dame und nicht einmal ein verzogenes Stadtmädchen war, sondern ein Mensch, der durch sein bisher geführtes hartes Leben gelernt hatte, dass alles der Reihe nach getan werden musste.
    Wenngleich zutraf, dass sie nicht verärgert war, hatte Telor sie trotzdem falsch verstanden. Grundlage aller anderen Gefühle war die Tatsache, dass sie von Anfang an nicht so versessen darauf gewesen war, mit ihm zu schlafen. Daher kam sie sich nicht sonderlich unbefriedigt vor. Das, was sich zwischen ihnen beiden ereignet hatte, war so angenehm gewesen, dass sie voll Entzücken daran dachte, sich die Erinnerung zu bewahren, ohne die Möglichkeit befürchten zu müssen, diese Erinnerung könne getrübt werden. Ihre Gefühle wurden jedoch von der Angst überlagert, wie Telor auf den Anblick der Soldaten reagieren und was er vorhaben könne.
    Diese beiden Gedanken waren irgendwo in ihrem Kopf vorhanden, doch im Augenblick war sie in einer überwältigenden Weise mit den wundervollsten und verwirrends-ten Worten beschäftigt, die sie je gehört hatte. Sie wusste, sie musste sie immer wieder in Gedanken wiederholen, die ganze Szene, damit sie nie den Schatz verlor, der ihr geschenkt worden war, einen Schatz, von dem sie glaubte, dass er größer werde, je mehr sie seinen Wert begriff. Sie war schockiert und verblüfft gewesen, als sie Telor davon reden gehört hatte, der Beischlaf sei ein süßer, bezaubernder Akt.
    Sie hatte ein heißes Verlangen sich regen gefühlt und gehofft, hitziges Vergnügen zu finden, wenn sie sich mit Telor vereinigte, aber süße und bezaubernde Gefühle . . .
    Plötzlich erinnerte sie sich, dass er sie vorher gebeten hatte, sie solle ihm gestatten,
    „ihr Freude zu machen". Und die Art, wie er dabei ausgesehen hatte ... Es stimmte!

    Für ihn war die Vereinigung eine süße und bezaubernde Sache und nicht nur die Paarung von zwei schwitzenden, stöhnenden Personen. Das war es wert, darüber nachzudenken. Falls es ihr gelang, das auch für sich selbst zu erreichen, dann konnte viel Gutes dabei herauskommen - und sehr viel Schlechtes.
    In Gedanken scheute sie vor einer so verführerischen Vision zurück, dem flüchtigen Blick in eine Art Paradies. Man konnte in eine Falle geraten, wenn der Beischlaf eine süße und bezaubernde Sache wurde. Indem Carys jedoch einer Falle aus dem Weg ging, ließ sie zu, dass sie in eine andere geriet. Telors Glauben an ihren „Wert" und ihre „Schönheit" war noch verführerischer und in gewisser Hinsicht gefährlicher. Er sah etwas Besonderes in ihr, durch das sie für ihn wertvoller als jedes andere Lebewesen wurde. Und sie fragte sich, ob sie ihn, wenn er sie so hoch schätzte, dann nicht auch schätzen müsse. Das jedoch würde bedeuten, dass sein Leben und sein Glück Vorrang vor ihrem haben musste.
    Das wiederum stand in Gegensatz zu jeder Lektion, die sie

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