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032

Titel: 032 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Seiltänzerin
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Männer waren verschwunden. Die beiden großen Riegel lagen in den Halterungen, wo sie in den Jahren, in denen Sir Richard der Herr von Marston gewesen war, gelegen hatten. Aber Sir Richard hatte nie einen Überraschungsangriff befürchtet.
    Also tat auch Orin das nicht!
    Welchen Sinn hatte dann die Geheimnistuerei, und warum hatte Orin gedacht, er, Telor, sei ein Spion aus Cre-klade? Plötzlich fingen einige der Dinge, die Lord William zu ihm gesagt, auf die er jedoch nicht weiter geachtet hatte, an, einen Sinn zu ergeben. Orin war ein erfahrener Hauptmann und kein Abtrünniger. Trotz der Niederlage fürchtete er die Bürger von Creklade nicht. Telor entsann sich, wie oft er Krieger verächtlich über Stadtmenschen reden gehört hatte. Orin ließ Männer nicht im Waffengebrauch unterweisen, um Marston zu verteidigen, sondern für einen neuen Angriff auf Creklade, und er hielt die Tatsache, dass er Marston eingenommen hatte, geheim, damit die Stadt nicht gewarnt war.
    Die Aktivitäten innerhalb des Besitzes waren mit dem schwindenden Licht zum Erliegen gekommen. Männer zerstreuten sich in diese und jene Richtung; eine kleine Gruppe, Orin befand sich unter den Männern, denn seine Stimme war zu hören, ging zum Herrenhaus. Telor versteifte sich und griff nach dem Bauernspieß. Noch nicht, riet er sich, und senkte den Kopf über das Holzrund, das bereits die grobe Form einer Schüssel angenommen hatte. Noch waren zu viele Männer in der Nähe. Telors Blick richtete sich auf die großen Riegel in den Halterungen, wenngleich es schon so dunkel war, dass er sie kaum noch erkennen konnte. Diese Aufgabe musste noch vor dem Vollzug der Rache erledigt werden. Dann, falls er es nicht schaffte, Orin zu töten, würde Lord William zumindest Marston ohne Anstrengung einnehmen können.
    In dem Moment, da er dachte, wie verhältnismäßig einfach es sein würde, einen Teil eines jeden Torriegels einzusägen, hatte Telor plötzlich das Bild vor Augen, wie er sicher in Caiys' Armen lag, und er fragte sich, ob er wirklich derjenige sein müsse, der Orin dem Untergang weihte. Konnte er dessen Bestrafung nicht Lord William überlassen, der den wohlverdienten Ruf genoss, grausam zu sein? Lord William würde jedoch nicht der Ansicht sein, dass Orins Tat eine Bestrafung verdiente, insbesondere dann nicht, wenn der Hauptmann ihm eine einigermaßen vernünftige Erklärung für Sir Richards Tod lieferte. Es war durchaus denkbar, dass Lord William Orin sogar dafür bewunderte, versucht zu haben, trotz allzu widriger Umstände ihm erteilte Befehle auszuführen. Wiewohl er vielleicht auf Orins Herrn wütend sein mochte, weil dieser versucht hatte, den Machteinfluss des Earls of Gloucester über die in der Nähe von Faringdon gelegenen Städte zu zerstören, würde dieser Zorn nicht auf die Söldner übertragen, die Orins Befehlen gehorchten. Nur wenn Orin die Bibliothek vernichtet hatte - was Telor hoffte - , würde Lord William ihn bestrafen.
    Telor beschloss ein weiteres Mal, Orin zur Hölle zu schicken, falls ihm das möglich sein sollte.
    Wieder berührte er seinen Bauernspieß und blickte zum offenen Eingang der Halle, aus der ein gelblicher Schein in das blaugraue Dämmerlicht fiel. Dann schüttelte er den Kopf. Erst die Riegel, und selbst dann durfte er kein Narr sein und ungeachtet der Erfolgschancen die erste Gelegenheit nutzen. Warf er sein Leben fort, ohne sein Ziel erreicht zu haben, würde das Orin nur zu einem weiteren Sieg verhelfen. Aber selbst dann, wenn er sicher sein konnte, Orin töten zu können, würde er sterben.
    Sobald er Orin erledigte, würde man Alarm geben und ihn festnehmen . . .

    Alarm! Plötzlich setzte Telor sich aufrechter hin und ließ den Hohlbeitel, den er benutzt hatte, in den Schoß fallen. Wenn er Orin während des Angriffs auf Marston tötete, würden die meisten von dessen Männern viel zu beschäftigt sein, um sich um ihren Herrn Sorgen zu machen. Der Nachteil war, dass Orin bewaffnet sein würde, doch der Bauernspieß hatte schon in der Vergangenheit Bewaffnete gefällt.
    Telor überlegte noch, aus welcher Position er die beste Möglichkeit haben würde, Orin während der Kämpfe zu erreichen, als neuerliche Aktivitäten ihm bekundeten, dass man im Begriff war, das Abendessen zu servieren. Resignierend betrachtete er den Brotkanten und die ranzige
    Scheibe Schweinefleisch. Entweder aß er die karge Speise, oder er verzichtete ganz aufs Essen. Er durfte kein zweites Mal in den Küchenschuppen gehen,

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