032
das Ross an, ein prächtiges Tier, obwohl es eher seiner Schnelligkeit und seines leichten Ganges und weniger seiner Kriegstauglichkeit wegen ausgesucht worden war. Das Befehlsgeschrei und die Geräusche der abmarschierenden Männer wurden leiser, doch Lord William regte sich nicht. Er empfand keine Notwendigkeit, auf dem Schauplatz der Kämpfe zu sein, zumindest so lange nicht, wie der Rammbock noch nicht in Gebrauch genommen werden konnte. Das jedoch wollte er sehen. Falls das Tor nach wenigen Stößen einbrach, war das der Beweis dafür, dass der Barde seinen Teil an der Sache erledigt hatte.
Ein Weilchen später ritt Lord William nach Marston Ma-nor und bekam diesen Beweis geliefert. Der Rammbock traf auf das Tor, und sogleich hörte man ein Splittern. Durch den zweiten Stoß wurde das Tor vollends aufgebrochen, und die Männer, die den Rammbock bedient hatten, ergriffen ihre Schilde und Waffen und rannten los, um die Torflügel weiter aufzudrücken. Der Rest von Lord Williams Truppen drängte, aufmunternde Schreie ausstoßend, vorwärts, doch es strömte ihnen keine Schar von Verteidigern entgegen.
Aus sicherer Entfernung schaute Lord William zu. Sein Blick wurde härter, und seine Lippen wurden schmaler. Zugegeben, Marston war keine Burg und hatte nicht die Verteidigungsanlage einer auf einer Motte stehenden und ummauerten Festung, aber dennoch war das Eindringen viel zu leicht. Einige wenige schlecht gezielte Pfeile waren auf die eindringenden Männer abgeschossen und einige Steine über die Mauer gehievt worden, doch diese vorgetäuschte Verteidigung war lächerlich.
Wenn Orin nicht die Absicht zum Kämpfen hatte, warum bat er dann nicht um Gnade und ergab sich?
Sollte dieses dumme Verhalten ihn, William, davon überzeugen, dass er etwas gewonnen hatte, und ihn zur Sorglosigkeit verleiten? Erwartete jemand, der von seinem Interesse an Sir Richards Bibliothek wusste, dass er zumindest einige Tage in dem schutzlosen Herrenhaus bleiben und dort gefasst werden würde? Falls dem so war, dann fühlte er sich sicher genug, da er nicht die Absicht hatte, länger zu verweilen, als man brauchte, um die Bücher und Schriftrollen auf Karren zu laden.
Oder war es unklug, das Gelände des Herrenhauses überhaupt zu betreten?
Natürlich wäre es sehr interessant herauszufinden, wer diese Falle gelegt hatte.
Zweifellos würde der Barde ihm das erzählen, so oder so.
Lord William dachte noch mit einiger Genugtuung über mehrere Möglichkeiten nach, wie er Telor zum Reden bringen könne, falls dieser nicht gewillt sein sollte, das zu
tun, als Sir Harry zurückgeritten kam, so laut lachend, dass sein Pferd ob der unsicheren Zügelführung Sprünge machte. Sir Harry versuchte zwei Mal, etwas zu äußern, juchzte jedoch so ansteckend, dass Lord William zu lächeln begann.
„Ein Sieg stimmt dich für gewöhnlich nicht so heiter", sagte Lord William. „Komm, lass mich an deiner Heiterkeit teilhaben. Ich mag nicht lachen, ehe ich weiß, ob man sich über mich oder jemand anderen lustig macht."
„Noch weiß ich nicht, wer der Narr ist", erwiderte Harry und wischte sich die Augen aus. „Aber ich bin durch das Tor gegangen und habe damit gerechnet, von einer zehn Mal größeren Schar von Leuten überfallen zu werden, als sich angeblich hier befinden sollten. Ich dachte, die schwache Verteidigung diene dazu, uns in eine Falle zu locken."
Einen Moment lang herrschte Schweigen, und dann fragte Lord William: „War es keine?"
Sir Harry lachte erneut. „Nein! Alle Männer da drinnen, abgesehen von unseren Leuten, die sich als Schausteller verkleidet haben, liegen irgendwo herum und kotzen. Falls du das arrangiert haben solltest, Mylord, dann wäre es mir lieber gewesen, du hättest mir das vorher erzählt, damit mir das Herz nicht bis zum Hals geklopft hätte."
„Kotzen?" wiederholte Lord William und sah dabei sehr erstaunt aus. Dann furchte er die Stirn. „Sei kein Narr! Das ist nicht mein Werk gewesen, doch wäre es an dem, solltest du mich eher verfluchen, weil ich dir das sage, statt dich darüber zu beklagen, dass ich dir das nicht gesagt habe. Wäre es besser für dich gewesen, keinen Widerstand zu erwarten, und dann festzustellen, dass meine List nicht funktioniert hat und du auf einen heftigen Angriff nicht vorbereitet warst?"
„Nein, Mylord", murmelte Hariy, weil er wusste, dass Lord William Recht hatte. Nun schämte er sich, das nicht früher erkannt zu haben.
Lord William schaute jedoch an ihm vorbei auf
Weitere Kostenlose Bücher