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032

Titel: 032 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Seiltänzerin
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an sich genommen, was Carys verdient hatte. Und selbst wenn sie den Wert von Geld kannte, würde jemand ihr in dem Moment, da sie für etwas zahlte, mit Gewalt das abnehmen, was sie noch hatte. Die Erinnerung an ihr Gewicht und die Kraft ihres Griffs hatten Telor leichte Zweifel an ihrer Hilflosigkeit erzeugt, aber ihr unter der Decke liegender Körper hatte so dünn und zerbrechlich gewirkt. Sie musste noch sehr jung sein. Sie war so flach wie ein Junge.
    Ein Junge. Immer wieder waren diese beiden Worte ihm durch den Sinn gegangen.
    Niemand würde einen Gedanken daran verschwenden, dass Telor der Lautenspieler noch einen weiteren Diener oder einen Lehrjungen hatte. Wieder hatte er Carys angeschaut und gegrinst. Wenn sie doch nur nicht so schmutzig wäre! Ihr Gesicht war verschmiert und dreckverkrustet gewesen, und ihr Haar so verfilzt, dass es wie Hanfseile aussah. Kein Barde, der seinen Verstand beisammenhatte, würde zulassen, dass sein Lehrling ... Im Stillen hatte Telor das Wort „zulassen" wiederholt und eine Reihe von Gedanken daran geknüpft, die ihn zwar die Stirn hatten runzeln lassen, aber ihn doch sehr erleichtert gemacht hatten. Es würde leicht sein, diesen Dreck loszuwerden. Eine andere Frage war jedoch, ob das Mädchen fähig sein würde, den Mund zu halten und die ihm zugedachte Rolle zu spielen.
    Telor hatte sich vorgehalten, eine Hürde nach der anderen zu nehmen. Der erste Schritt sollte sein, Carys von dem Dreck zu befreien. Im Dorf gab es kein Badehaus, und er war nicht davon ausgegangen, dass Carys sich gründlich waschen würde.
    Vielleicht war sie auch noch nicht imstande, sich auf den Beinen zu halten. Daher hätte er sie nicht ins Freie bringen und Wasser aus dem Brunnen über sie gießen können. Er hatte stark die Stirn gerunzelt und war in die Schenke gegangen, um mit der Wirtin zu reden, die er morgens dabei gesehen hatte, wie sie die Küchenabfälle hinausgetragen hatte. Die Besprechung mit ihr hatte dann dazu geführt, dass sie ihm das heiße Wasser gemacht und den Zuber überlassen hatte, der im Allgemeinen zum Mischen der Maische verwendet wurde.
    Natürlich hatte er ihr eine Geschichte darüber erzählen müssen, warum das Mädchen so dreckig war. Zumindest Carys' eifrige Miene unterstrich jetzt diese Lügen. Die Wirtin leerte den zweiten Eimer in den Bottich und verließ den Raum, um kaltes Wasser zu holen, das in den Zuber geschüttet werden sollte. Ihren Mann hatte die Frau vor sich hergescheucht. Telor grinste. Sie hatte ihren Mann gut im Griff und offenbar nicht die Absicht, ihre Macht über ihn gefährdet zu sehen, nicht einmal durch ein so unappetitliches Wesen wie Carys. Aber falls er die Miene des Mädchens falsch gedeutet hatte und diese nicht die Begierigkeit ausdrückte, baden zu können . . .
    „Ja, das Bad ist für dich", sagte er leise, sobald er sicher war, dass die Wirtsleute weit genug weg waren. „Ich habe der Wirtin erzählt, du seist von meinem Pferd gefallen und einen Abhang hinuntergerollt. Dabei hättest du dich so dreckig gemacht. Komm, zieh deine Sachen aus. Die Frau bringt kaltes Wasser, und du solltest sofort in den Zuber steigen, denn es wird lange dauern, dich zu reinigen, und das Wasser sich rasch abkühlen."
    Derweil Telor geredet hatte, war Carys' eifriges Interesse zu dankbarer Zustimmung und schließlich zu Verwirrung geworden. Offenen Mundes starrte sie ihn an. Seinen ersten Satz hatte sie nicht begriffen, weil sie, als sie den Wirtsleuten hinterhergeschaut hatte, erneut zum Tisch geblickt und Deri erkannt hatte. Beinahe hätte sie über sich selbst gelacht, weil sie so schnell das Schlimmste angenommen hatte, und in diesem Augenblick war sie durch Telors Stimme erschreckt worden.
    Sein zweiter Satz hatte jedoch einen Sinn ergeben. Es wäre gefährlich gewesen, der Wirtin gegenüber zuzugeben, dass sie, Carys, ein Flüchtling war, der den Wirtsleuten vielleicht die Rache eines benachbarten Burgherrn einbrachte. Der dritte Satz war Carys zunächst logisch erschienen, da sie mit Telors körperlichen Begierden gerechnet hatte, doch der Rest seiner Bemerkungen ergab überhaupt keinen Sinn.
    Da sie gewohnt war, zwar weniger aus eigenen Erfahrungen denn durch Beobachtungen, dass eine Frau für ihr erwiesene Gefallen mit ihren Liebesdiensten zahlte, stellte sie mühelos eine Verbindung zwischen der Aufforderung, ihre Sachen auszuziehen, und dem Zuber her, tat das jedoch ihrem Gedankengang entsprechend. „Im Bottich?" fragte sie verblüfft. „Wie

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