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eine zusätzliche Quälerei, da die Lauge ihr in den Augen brannte, aber wenigstens spülten die Tränen, die sie vergoss, ihr die Lauge aus den Augen.
Die Kraft, das alles zu ertragen, schöpfte sie nach wenigen Blicken auf ihre Haut, nachdem die Wirtin ihr aus dem Bottich geholfen hatte. Die Haut war weiß und weich, zumindest überall dort, wie sie nicht geschwollen und schwarz und blau war.
Manchmal, wenn Morgans Truppe in einer Burg aufgetreten war, hatte Carys vornehme Damen gesehen. Die bloße Haut, die sie gezeigt hatten, war so gewesen wie ihre jetzt, weiß und weich. Nachdem die Asche ausgespült worden war, fühlte das Haar sich anders an. Aber es war immer noch verfilzt und verknotet, so dass Carys den ihr von der Wirtin gegebenen Kamm nicht hindurchziehen konnte. Die Frau versuchte, ihr zu helfen, nachdem sie Carys' Sachen zum Einweichen in den Zuber geworfen hatte, doch auch sie schaffte es nicht, das Haar zu kämmen.
„Es muss abgeschnitten werden", sagte sie und schaute zum ersten Mal misstrauisch Carys an. „Wie kommt es, dass es so verfilzt ist?"
Carys ließ den Kopf hängen. Sie hatte ihren Kamm zerbrochen und die beiden Teile verloren. Obwohl sie Ulric mehrmals gebeten hatte, ihr einen neuen zu besorgen, hatte er das nicht getan. Aber das konnte sie der Wirtin nicht sagen.
„Es macht solche Mühe, das Haar zu kämmen", murmelte sie. „Ich habe es einfach aufgewickelt. Und als ich herunterfiel ..." Sie ließ den Satz in der Luft hängen.
Die Wirtin machte „ts, ts", äußerte jedoch nicht mehr und ging um die aufgespannte Decke, um ein Messer zu holen.
„Kluges Mädchen", sagte Telor von der anderen Seite der Decke her. „Das ist ein guter Einfall, weil ich dich als Junge verkleiden will. Ich erkläre dir das später." Und dann fügte er in lauterem Ton für die zurückkehrende Wirtin hinzu: „Du kannst dem Mädchen diese Sachen bringen, Frau. Mehr kann ich nicht erübrigen."
Als Junge verkleiden? Carys dachte über diesen Einfall nach, während die Frau Haarsträhnen anhob und mit dem Messer abschnitt. Zunächst empfand sie Erleichterung. Als Junge verkleidet, blieben ihr die Blicke und Bemerkungen und das ihr verhasste Betatschtwerden durch Männer erspart. Ulric hatte nie versucht, sie vor irgendetwas zu schützen. Ungeachtet der Freundlichkeit, die Telor ihr bewies, konnte sie nicht glauben, dass allein die Absicht, sie vor Unannehmlichkeiten bewahren zu wollen, der Grund dafür war, dass er wollte, sie solle für einen Jungen gehalten werden. Männern war es gleich, was Frauen empfanden. Er hatte eindeutig Gleichgültigkeit in Bezug auf Gefühle gezeigt, als es darum ging, ihr das Haar abzuschneiden. Sie erschauerte, als wieder Haarbüschel auf den Fußboden fielen.
„Das Haar wächst bald nach", tröstete die Wirtin. „In Zukunft wirst du nicht mehr so dumm und faul sein, es nicht zu kämmen."
Carys empfand eine Aufwallung von Hass für den toten Ulric, der ihr einen neuen Kamm verweigert hatte. Sie musste sich Vorwürfe über den Zustand ihres Haars gefallen lassen, übertrug jedoch ihren Ärger auf Telor. Er hatte gesagt, er werde ihr seinen Plan erklären, aber ihrer Erfahrung nach waren Erklärungen mit Lügen gleichzusetzen. Die Wahrheit war immer klar genug, ohne erklärt werden zu müssen.
Zuerst fragte sich Carys, ob er befürchtete, durch ihre Kunststücke in den Schatten gestellt zu werden. Sie war oft Zielscheibe für die Boshaftigkeiten anderer Fahrensleute gewesen, die neidisch auf ihre Fähigkeiten gewesen waren.
Nichtsdestowenigerwar sie stolz auf ihr Können, und wenngleich sie die Lust hasste, die durch die Zurschaustellung ihrer Kunst in einigen Männern geweckt wurde, genoss sie die Aufmerksamkeit und Bewunderung der übrigen Zuschauer. Es war immer eine reine Freude für sie gewesen, die gespannten Mienen der Leute zu beobachten, während das Seil, auf dem sie dann tanzen sollte, gespannt wurde. Und die Schreie, erschrockenen Rufe und Äußerungen des Entzückens während und nach ihrer Darbietung hatten sie oft so zufrieden gestellt, dass sie ihren knurrenden Magen mehr oder weniger vergessen hatte. Sie furchte die Stirn. Zum einen konnte Telor keine Ahnung haben, ob sie wirklich eine gute Seiltänzerin war oder nicht, denn er hatte sie nie bei der Arbeit gesehen. Zum anderen konnte sie die Aufmerksamkeit nicht von seinen Darbietungen ablenken, solange ihr Knöchel noch verletzt war.
Warum wollte er sie also als Junge verkleiden?
Dann, als die
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