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032

Titel: 032 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Seiltänzerin
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Telor.
    Seine Miene drückte Erstaunen aus. Dann lachte er. „Natürlich ist es für einen Seiltänzer kein Problem, auf einem Bein das Gleichgewicht halten zu können. Das hatte ich vergessen."
    „Oder gar keine Füße zu haben", meinte Carys, als die Brayette herunterrutschte. Schwungvoll beugte sie sich vor und begann, auf den Händen zu laufen. Das tat ihren wunden Handflächen weh. Daher setzte sie sich schnell hin, zog die Brayette hoch und wickelte sie fester um die Taille, während Telor sie dabei anstarrte.
    „Ja, und das ist der Grund, warum ich es vorziehe, dass man dich für einen Jungen hält", sagte er, als sie aufstand. Dann ging er mit ihr auf den Hof und zu einem Baum mit einem tief hängenden Zweig. „Du kannst nicht arbeiten, bis deine Verletzungen nicht abgeheilt sind. Daher können wir nicht gleich nach einer Truppe Ausschau halten, die für dich geeignet ist. In jedem Fall habe ich nicht die Zeit, jetzt nach Schaustellertruppen zu suchen. Ich muss morgen Abend in Castle Combe sein, weil man mich gerufen hat, um bei der Hochzeit des ältesten Sohns der de Dunstanvilles zu singen."
    Mühelos war Carys Telor gefolgt und nicht überrascht über den von ihm genannten Grund, weshalb er wollte, dass sie wie ein Junge aussah. Derweil er eine Decke über den niedrigen Ast hängte und heftig mit dem Bauernspieß darauf klopfte, rief Carys erfreut aus: „Eine Hochzeit! Dann werden da mehrere Schaustellertruppen sein, und große Hochzeiten in Burgen dauern einige Tage. Meine Verletzungen werden so weit abgeheilt sein, dass ich vor den Gästen tanzen kann, ehe sie abreisen, und dann werden die anderen Schausteller..."
    „Nein", sagte Telor.
    Carys wäre gern bei ihm geblieben. Er war nett, und sie glaubte, dass sie ihn leicht um den Finger wickeln konnte. Doch wenn er wollte, dass sie das Seiltanzen aufgab, dann musste sie sich von ihm trennen, je eher, desto besser.
    „Nein, was?" fragte sie. „Meinst du, dass keine anderen Spielleute dort sein werden?"
    „Aller Voraussicht nach werden dort welche sein", antwortete Telor verächtlich.
    „Mit dieser Sorte von fahrendem Volk habe ich nichts zu tun." Dann fiel ihm auf, dass Carys zu diesen Gauklern gehörte. Er stieß den Bauernspieß auf die Erde und äußerte gereizt: „Es tut mir sehr Leid, wenn ich dich gekränkt haben sollte, aber ich bin kein gewöhnlicher Spielmann. Ich trage keine derben Lieder vor, um gemeines Volk zu unterhalten. Ich arbeite in den Burgen vor edlen Herren und Damen, denen ich Heldengesänge und epische Lieder vortrage. Ich bin Barde, kein Jongleur, und wenn bekannt wird, dass ich ein Tanzmädchen bei mir habe, wird man, ehrlich gesagt, schlecht von mir denken, und das tut meiner Ehre Abbruch."
    „Ich bin ebenso wenig ein Tanzmädchen, wie du ein Jongleur bist", rief Carys aus.
    „Ich bin Seiltänzerin, keine Hure. Und du hast schon einen Zwerg bei dir. Willst du versuchen, mir weiszumachen, dass Deri nicht den Narren spielt?"
    Telor hatte den Anstand, rot zu werden. „Das tut er in kleinen Städten und Dörfern", gab er zu. „Aber wenn ich in einer Burg singe, dann ist er mein Diener. Ich könnte zwei Diener haben, oder einen Lehrburschen. Ich habe nicht gemeint, dass du keine Künstlerin bist, Carys, sondern nur, dass die Herren, wenn sie wissen, dass ich auch in Dörfern auftrete, mich nicht mehr einladen werden, vor ihnen zu spielen."
    „Oh!" Sie war nicht sicher, ob diese Behauptung zutraf, vermutete das jedoch. „Soll ich diese Decke jetzt zusammenrollen?" fragte sie und legte die Hand auf die Decke, die Telor über die Hecke geworfen hatte.
    Durch die Frage wurde er anderer Stimmung. Nach seiner Erklärung hatte er sich brüsk abgewandt gehabt, den Bauernspieß ergriffen und mit größerer Wucht, als nötig gewesen wäre, auf die Decke sausen lassen. Er war ärgerlich auf Carys, weil sie ihn gezwungen hatte, sie in Verlegenheit zu bringen. Und er war ärgerlich, weil sie sicher und gelassen auf einem Bein dastand - sie hatte wirklich ein bemerkenswertes Gleichgewichtsgefühl! - , während er nicht wusste, was er sagen solle. Er hatte überlegt, wo Deri sein mochte, als Carys mit ihm redete. Der Zwerg war wach und hatte die Folgen seiner Zecherei zum größten Teil überwunden. Also hätte er bereits die Reittiere herbringen müssen, damit sie gesattelt und beladen wurden. Carys' leichthin gestellte Frage enthob Telor der Notwendigkeit weiterer Erklärungen. Daher lächelte er und zog die zweite Decke vom

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