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dem Bottich und wrang beides aus. „Ich werde die Sachen im Brunnen ausspülen, da du nicht laufen kannst, denke jedoch, das Kleid ist zu zerrissen, um noch geflickt werden zu können. Du musst einen schlimmen Sturz getan haben!"
„Ja."
Bei der Erinnerung an die Flucht erschauerte Carys, und die Verärgerung über Telors scheinbare Falschheit schwand. Sie hielt sich vor, dass er sie auf der Straße hätte liegen lassen können. Nach einem Blick im Dunkeln auf sie hatte er nicht wissen können, wer sie war und woher sie kam. Es zeugte von einem guten Herzen, dass er angehalten hatte, um ihr zu helfen. Was war schlimm daran, wenn er Verlangen nach ihr hatte und sie für sich behalten wollte?
4. KAPITEL
Als Carys der den Raum verlassenden Wirtin hinterherschaute, bemerkte sie, dass der Zwerg nicht länger am Tisch saß. Hastig schnallte sie die Riemen mit den Dolchen um die Oberschenkel und zog das lange Hemd an, damit sie bedeckt war und notfalls verbergen konnte, was sie tat. Dann zog sie einen Dolch aus der Scheide und benutzte ihn, um die Säume von jedem Bein der Brayette aufzuschlitzen, damit sie hindurchfassen und nach den Waffen greifen konnte. Nachdem sie die Brayette angezogen hatte und aufgestanden war, um sie sich um die Taille festzubinden, fingerte sie nach den Dolchen. Es war umständlich, an sie zu gelangen. Sie würde daran denken müssen, dass sie viel Zeit dafür brauchte, vor allem, da sie unter die Tunika greifen musste. Sie glaubte jedoch nicht, dass sie sich mit den Dolchen gegen Telor oder Deri wehren müsse, hoffte indes, die Waffen würden sie gegen zudringliche Leute schützen.
Rasch hüpfte sie auf einem Bein zu dem Tisch, auf dem die Reste von Telors Frühstück standen, und stärkte sich. Dank des vollen Bauchs und der hoffnungsvollen Aussicht auf einen freundlichen Beschützer wurde ihr so leicht ums Herz, dass sie unwillkürlich laut auflachte, als sie sich von der Bank erhob und an sich herunterschaute. Die Kleidungsstücke waren ihr viel zu groß. Offensichtlich hatte Telor ihr einige seiner eigenen Sachen gegeben. Sie betastete sie vorsichtig. Er war sehr groß. Deris Sachen wären ihr zu weit gewesen, wenngleich sie von der Länge her besser dem Zweck gedient hätten, sie wie einen Jungen aussehen zu lassen.
Sie nahm die Decke von den Pfosten, als Telor in den Raum kam. „Soll ich die Decken zusammenrollen?"
Telor war über ihre Ausdrucksweise und ihre Stimme überrascht, denn beides hatte er bis jetzt nicht richtig wahrgenommen. Er wurde sich bewusst, dass sie nichts Ungepflegtes oder Auffallendes mehr an sich hatte. Ihre Ausdrucksweise war kultiviert, wie die seiner Schwestern, und ihre Stimme viel schöner.
Sie war überhaupt viel attraktiver, als er erwartet hatte, und nun, da sie sauber war, erinnerte sie ihn mehr denn je an einen hübschen, niedlichen Fuchs. Ihr beinahe trockenes Haar hatte das gleiche tiefe Rotbraun wie ein Fuchspelz. Ihre großen Augen waren von warmer hellbrauner Farbe, und ihre langen, dichten Wimpern fast gleichfarbig. Die Augen schienen an den äußeren Winkeln etwas geschlitzt zu sein, wie die eines Fuchses, oder vielleicht waren auch nur die Augenbrauen etwas schräg in die Höhe geschwungen. Die Lippen jedoch waren voll und weich und schienen immer zu lächeln. Er empfand einen Hauch von Bedauern, als er sich der groben Art erinnerte, mit der er ihr Angebot, mit ihm zu schlafen, abgelehnt hatte. Es würde schwer sein, die Erinnerung daran aus ihrem Gedächtnis zu vertreiben und sie willig sein zu lassen, zu ihm ins Bett zu kommen. Und dann verdrängte er entschlossen diesen Gedanken. Was fiel ihm ein? Es wäre ungeheuerlich, die Hilflosigkeit des Mädchens auszunutzen!
„Nein", sagte er und nahm die Decken an sich, um sie ins Freie zu bringen, auszuklopfen und von den Flöhen zu befreien. Dann holte er den Bauernspieß und wollte gehen.
Carys überlegte, ob er überhaupt wisse, warum er die Tatsache verbergen wolle, dass sie eine Frau war. „Ich befürchte, in diesen Sachen sehe ich nicht sehr wie ein Junge aus", rief sie ihm zu.
„Oh, wir können später auf der Straße anhalten und uns darum kümmern. Ich werde Deri herschicken, damit er dich hinausträgt."
Plötzlich saß Carys der Schalk im Nacken, und sie lachte. „Ich glaube, der arme Deri kann sich kaum auf den Beinen halten. Ein Mann, der bis mittags schläft, muss einen guten Grund dafür haben. Ich muss nicht getragen werden. Ich kann mit dir kommen." Rasch hüpfte sie zu
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