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er.
„Es sieht sicher genug aus", antwortete der Zwerg bedächtig und überschattete die Augen mit einer Hand. „Aber lass mich vorausreiten, während du die Brayette kürzer machst." Dann drehte er den Kopf um, furchte die Stirn, weil ihm die Bewegung wehgetan hatte, und schaute Carys an. „Von hier aus reitest du besser im Herrensitz. Ein Junge würde nicht im Damensitz reiten, und das Kleid und das Unterhemd versteckst du auch besser."
Ohne auf eine Erwiderung von Carys oder Telor zu warten, fing Deri an, die Stränge des Mulis vom Sattel abzumachen. Telor warf die Zügel über seine Hürde, ergriff Carys bei den Händen und half ihr, sich auf die Erde gleiten zu lassen. Das machte das Absitzen leichter für ihn. Deri übergab Carys die Zügel des Packtiers und brach auf. Einen Moment lang ängstigte sie sich und überlegte, ob sie rechtzeitig aus dem Weg kommen würde, falls das Muli beschließen sollte, hinter Deri herzurennen, doch es stand ruhig da und schlug nur mit dem Schwanz. Zaghaft streckte sie die Hand aus und strich ihm über den Hals. Das Gefühl des weichen, warmen Fells gefiel ihr. Das an gute Behandlung gewöhnte Muli reagierte leise wiehernd auf die Zärtlichkeit. Telor, der sein Pferd angebunden hatte und zu Carys gekommen war, um ihr das Muli abzunehmen, lachte verhalten.
„Deri verwöhnt die Stute", meinte er. „Aber sie ist ein gutes Tier, sanft und klug und nicht sehr störrisch. Sie heißt Doralys, und wenn sie bockig ist und nicht laufen will, dann ist es sehr klug, gründlich danach zu forschen, was nicht in Ordnung ist."
Lächelnd knickste Carys vor der Stute. „Ich bin erfreut, deine Bekanntschaft zu machen, Doralys."
„Wenn wir schon so förmlich sind, dann muss ich dich auch Teithiwr vorstellen, der, wie ich leider sagen muss, mehr Muskelkraft als Verstand hat, aber wenigstens auch ein angenehmes Wesen", sagte Telor, streckte den Arm aus, damit Carys sich darauf stützen konnte, und half ihr zu dem Schössling, an den er das Pferd gebunden hatte.
Das offenkundige Vergnügen, das ihre zögernde Annäherung an das Muli Telor bereitet hatte, ermutige Carys, dem Pferd die Flanke zu tätscheln. „Ich danke dir, mein Lieber, für die Freundlichkeit, mich so geduldig zu tragen", sagte sie.
Das weidende Tier ignorierte sie. Telor, der das Kleid und das Unterhemd in eine Satteltasche gesteckt hatte, schüttelte den Kopf. „Das dumme Biest. Wäre er nicht so dumm, würde er sich dir zuwenden, weil er dann vielleicht einen Apfel oder eine Mohrrübe bekäme, statt Gras fressen zu müssen."
„Vielleicht unterschätzt du ihn", meinte Carys ernst. „Zu dieser Jahreszeit ist das Gras grün und frisch, wohingegen der Apfel sehr alt und wahrscheinlich verfault wäre. Die Mohrrübe wäre noch viel zu unreif und kaum mehr als ein dünnes Etwas."
Telor lachte wieder, wickelte ein Wolltuch auf, in dem sich eine kleine Garnrolle befand und eine Nadel sowie zwei Stecknadeln steckten. „Pferde ziehen jedoch verrottete Äpfel vor", erklärte er. „Sie fressen alles, was sie unter einem Baum finden können, und werden betrunkener, als Deri das gestern Abend war." Er schaute Carys an und schüttelte den Kopf. Ein Bein der Brayette war heruntergerutscht, stauchte sich in Falten um ihr Fußgelenk und bedeckte ihren Fuß.
Er näherte sich Carys, kniete sich hin und sagte: „Schlag das Hosenbein hoch, bis es die richtige Länge hat. Dann werde ich es feststecken."
Carys tat, wie ihr geheißen, beäugte jedoch misstrauisch die Nadel, die Telor durch den Stoff steckte. „Willst du die Brayette säumen, derweil ich sie anhabe?" fragte sie schließlich.
„Warum nicht?" antwortete er. „So ginge es am schnellsten."
Sie wollte nicht sagen, dass sie argwöhnte, er könne aus Versehen die Brayette an ihr festnähen. Daher suchte sie verzweifelt nach einem anderen Einwand. „Ich . . .
ich denke jedoch nicht, dass es richtig ist, wenn der hochgekrempelte Teil nach außen kommt. Ich kann auch nicht lange auf meinem verletzten Bein stehen. Du wiederum kannst nicht nähen, wenn ich dabei sitze."
„Dann wirst du die Brayette ausziehen müssen", bemerkte Telor gleichmütig.
Er war jedoch nicht so gleichgültig, wie er geklungen hatte. In seinem unsteten Leben hatte es genügend Frauen gegeben, sowohl vornehme Damen, die hatten wissen wollen, ob der hoch gewachsene Barde so romantisch war, wie seine Lieder das waren, als auch Dorfmädchen, die ihn mit seiner sanften Art und kultivierten
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