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032

Titel: 032 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Seiltänzerin
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reizvoller aus als vorher, denn ihr fuchsrotes Haar war jetzt ganz trocken und lockte sich um ihr kleines Gesicht. Und ihre Augen sahen im hellen Tageslicht wie glitzerndes Altgold aus.
    Er wandte den Blick auf, seufzte und trieb das Pferd an.
    „Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand dich für einen Jungen hält."
    „Oh, doch!" versicherte sie ihm. „Die Leute sehen, was sie sehen sollen, von einigen abgesehen. Wenn du zu mir Junge' sagst, dann,sehen' sie einen Jungen. Ich werde auch meine Art zu gehen ändern, sobald ich wieder richtig laufen kann, und ebenfalls meine Gestik und die Tonlage meiner Stimme. Aber das allein reicht nicht.
    Wenn ich die Tunika unter dem Gürtel höher ziehe und so kurz wie ein Junge trage, wird man sehen, dass die Brayette viel zu lang ist."
    „Lehrlinge erhalten oft Kleidungsstücke, die ihnen zu groß sind, weil sie hineinwachsen sollen."
    „Ja", äußerte Carys zweifelnd. „Aber von keinem Jungen kann erwartet werden, dass er der Länge nach in sie hineinwächst."
    „Der Lehrling eines Barden muss anständig gekleidet sein", stimmte Telor zu. Dann fragte er, abgelenkt durch ein anderes Problem, das durch das Wort „Barde"
    ausgelöst worden war: „Kannst du singen?"
    „Ja, natürlich. Ich kann auch ein bisschen Brummeisen spielen", erklärte sie. „Aber nur ein bisschen", fügte sie ängstlich hinzu. „Einige Töne. Ich vermag das nicht sehr gut."
    „Ich werde dich nicht auffordern, mich beim Singen zu begleiten."
    „Gut." Sie hatte das leichthin gesagt, war jedoch erfreut, weil Telor eher belustigt als verstimmt geklungen hatte. Er war viel zu selbstsicher, um neidisch auf irgendeine ihrer musikalischen Fähigkeiten sein zu können, und das war sehr gut.
    „Allerdings werde ich vielleicht gezwungen sein, dich singen zu lassen", fuhr er nachdenklich fort. „Möglicherweise wird niemand dich bemerken. Es werden zu viele Gäste und Diener da sein, aber du musst imstande sein, etwas darzubieten, falls man mich fragt, warum ich einen Lehrjungen habe."
    „Für diesen Zweck singe ich gut genug", meinte Carys. „Meine Stimme ist nicht sehr hoch und sehr klar. Manchmal habe ich schon Jungen dargestellt."
    Telor reagierte nicht auf diese seltsame Bemerkung, weil Jungen im Allgemeinen Frauenrollen spielten und er in Gedanken wieder bei der zu langen Brayette war. Er hoffte von ganzem Herzen, dass Carys der allgemeinen Aufmerksamkeit entgehen werde, doch der Herr de Dunstanville war ein neugieriger Mensch. Falls es diesem zu Ohren kommen sollte, dass er, Telor, einen Lehrling angenommen hatte, dann würde er aller Wahrscheinlichkeit nach den „Jungen" sehen wollen und ihm Anweisungen erteilen, ob er den Jungen behalten solle oder nicht. Jedwede Auffälligkeit im Aussehen musste daher vermieden werden. Die Brayette würde abgeschnitten werden müssen, damit sie nicht so herunterrutschte wie in der Schenke.

    „Kannst du nähen?" erkundigte sich Telor.
    „Nein!" antwortete Carys sogleich und mit Nachdruck.
    Sie wusste, was mit Frauen geschah, die nähen konnten. Sie verbrachten jeden freien Moment damit, irgendwelche Kleidungsstücke der Gaukler zu stopfen oder zu flicken, und manchmal zu Lasten der Übungszeit. Carys fühlte sich sehr versucht, bei Telor zu bleiben, aber nicht, falls er die Absicht hatte, sie zur Köchin und Näherin für ihn und Deri zu machen.
    „Nun, das ist nicht von Bedeutung", erwiderte er ziemlich erstaunt über ihren vehementen Ton. „Ich kann gut genug nähen, um die Brayette kürzer zu machen."
    Carys bedauerte jetzt, dass sie einen so unwirschen Ton angeschlagen gehabt hatte, wollte jedoch noch immer nichts mit Näharbeiten zu tun haben. „Niemand hat mir je das Nähen beigebracht. An meine Mutter erinnere ich mich nicht, und Morgan konnte nicht nähen."
    Das arme Mädchen schämte sich, weil es ihm an weiblichen Fertigkeiten gebrach.
    Deshalb hatte Carys so ärgerlich geklungen. „Das ist nicht von Bedeutung", wiederholte Telor freundlich. „Du kannst etwas Besseres tun."
    Die Pferde näherten sich der Kuppe der Anhöhe, und Telor bedeutete Deri, an den Straßenrand in die Nähe der Bäume zu reiten, wo man der Sicht mehr entzogen war.
    Auf der Kuppe hielt er an und schaute zur Stadt hinunter. Die Felder, auf denen das grüne Frühgetreide stand, schienen unversehrt zu sein. Telor meinte, hie und da eine kleine Gestalt zu erkennen, die gemächlich arbeitete. Er schaute Deri an, der sein Pony neben ihn gelenkt hatte.
    „Nun?" fragte

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