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das Dorf nicht einmal gesehen", warf Carys ein. „Ich war so ängstlich, dass ich blind, taub und sprachlos war."
Deri dachte an ihre Dolche und wie benommen sie gewirkt hatte, nicht fähig, den einfachsten Befehl zu befolgen. Sie hatte zweifellos nicht gelogen, als sie behauptete, verängstigt gewesen zu sein, jedoch wie eine Besessene gekämpft.
Unter der harten Schale, die sie durch das Leben bekommen hatte, musste eine sanftmütige Seele sein.
„Zumindest hast du gewartet, bis wir das Durcheinander hinter uns hatten, ehe du dich von deinen Gefühlen hast überwältigen lassen."
„Hätte ich zulassen sollen, dass die Männer mich vom Pferd zerren?" fragte Carys verärgert. „Oder dass sie dir den Arm brechen? Oder dich erstechen?"
Carys besaß gesunden Menschenverstand, aber Telor nahm, obwohl sie sich und ihn gerettet hatte, Anstoß an der Art, wie sie gekämpft hatte, weil das seiner Auffassung von Weiblichkeit widersprach.
„Ich habe gesagt, dass es jetzt keine Schuld mehr zwischen uns gibt. Du hast mir das Leben gerettet", gestand er unbehaglich.
„Jeder von uns hat das getan, was er tun musste", erwiderte Carys hastig. „Lasst uns beschließen, was wir als Nächstes machen werden. Ihr wollt nicht nach Marston, und ich stimme zu, weil ich meine, dass du, Telor, nicht reiten solltest, bis die Schnittwunde verheilt ist. Meinst du, dass es sicher ist, hier zu bleiben?"
„Ja, aber ich habe keine Ahnung, wie weit wir geritten sind, nachdem wir dem Überfall entronnen waren. Das kam mir wie mehrere tausend Meilen vor, aber das ist nicht wahrscheinlich."
„Wir sind vielleicht eine Meile oder etwas mehr hinter dem Dorf", meinte Deri.
„Creklade", äußerte Telor. „Vielleicht liegt ein anderes kleines Dorf an der nach Norden verlaufenden Nebenstraße. Ich erinnere mich nicht an den Namen. Aber Creklade ist mehr als eine Meile näher als Marston und sogar eine Stadt."
„Dem Himmel sei Dank", rief Deri aus. „Dann muss es da Speisehäuser geben. Wir könnten wieder richtig essen."
Caxys schnitt ein Gesicht und lachte, doch dann schüttelte sie den Kopf. „Vielleicht weißt du es besser als ich, aber ich halte es nicht für klug, wenn Deri mit Geld bezahlt, das nicht in dieser Stadt erworben wurde, zumindest nicht öfter als ein Mal."
Überrascht schauten die Männer in offenkundiger Besorgnis erst Carys und dann einander an. Ein Zwerg konnte nicht übersehen werden und würde sofort als Fremder und vermutlich als Schausteller erkannt werden. Ein Schausteller mit Geld galt sofort als verdächtig. Wenn er einfach nur auf der Durchreise war, dann handelte er sich nicht mehr als skeptische oder böse Blicke ein. Falls er jedoch mehr als ein Mal gesehen wurde und so deutlich machte, dass er sich in der Stadt oder in ihrer Nähe aufhielt, dann wurde er mit ziemlicher Sicherheit festgenommen, derweil die Bürger befragt wurden, ob man sie bestohlen oder betrogen hatte. Selbst wenn keiner von ihnen die Gelegenheit nutzte, um ihn zu beschuldigen, nur um den Spaß zu haben, ihn ausgepeitscht oder in den Stock gelegt zu sehen, würde ihm dennoch unter Androhung von Strafe befohlen, die Stadt zu verlassen und nicht mehr zurückzukehren.
„Wenn ich tanze und Deri die Trommel für mich schlägt", fuhr Carys fort, ehe der Zwerg oder der Barde etwas äußern konnten, „dann wird sich niemand etwas dabei denken. Ich könnte genug fürs Essen einnehmen. Natürlich könnte ich sehr viel machen, hätte ich ein Seil."
„Nein!" sagten Deri und Telor gleichzeitig.
Caiys schaute von einem zum anderen. „Sind Fahrens-leute in Creklade unerwünscht?" fragte sie.
„Nein", antwortete Telor. „Aber in diesen Sachen kannst du nicht tanzen, und sonst hast du nichts. Außerdem würde Deri, wenn er so nahe bei Marston ist, wahrscheinlich erkannt werden, und ..."
„Ich glaube, du hast einen Schlag auf den Kopf bekommen", unterbrach Deri. „Ich bin zwei Mal im Leben dort gewesen und war nie in Creklade. Warum sollte jemand mich dort erkennen? Und selbst wenn ein Stallbursche aus Marston in der Stadt wäre, bezweifele ich, dass er sich einen Mann im Narrenkostüm so genau betrachten würde, dass er dessen Gesicht erkennt", fügte er etwas bitter hinzu.
„Und ich habe noch mein Tanzkleid", sagte Caiys. „Es ist nicht sehr hübsch, aber ..."
„Für unsere Zwecke genügt es", meinte Deri. „Man würde einen Zwerg und ein Tanzmädchen nicht für reich halten."
„Das schickt sich nicht!" rief Telor so heftig
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