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Gefahr, verhungern zu müssen. Telor hatte harten Käse in seinen Satteltaschen, und Carys fand noch mehr essbare Zwiebeln, die man mit Stücken alten Brots verspeiste. Bald stand Deri auf und half Telor, sich auszustrecken. Dann kümmerte er sich um die Reittiere und ging zur Straße. Dabei murmelte er, er wolle sich dort eine Weile hinsetzen, um sicherzustellen, dass ihnen von der Straße her keine Gefahr drohe.
„Vorhin hast du gesummt", sagte Telor leise zu Carys, nachdem Deri fortgegangen war. „Du klingst so glücklich."
„Ich bin glücklich", erwiderte sie und schaute ihn an.
Er konnte erkennen, dass sie lächelte. „Du hast keine Angst davor, im Dunkeln im Freien zu sein?"
„Das ist mir nichts Neues. Warum sollte ich mich fürchten?"
„Hast du keine Angst vor den Geistern, von denen es heißt, dass sie nachts umherwandern?" fragte Telor.
Ein leises Kichern. „In all den Jahren meiner Wanderschaft hat kein Geist mich je bedroht."
„Es gibt jedoch viele Leute, die an Geisterglauben", sagte Telor. „Ich bin nicht sicher, ob ich die Existenz von Geistern vollkommen leugne. Aber ich war oft genug nachts unterwegs, um zu wissen, dass sie nicht in der Weise, wie meine in Bristol lebenden Schwestern und meine Mutter das befürchten, die Straßen bevölkern."
Carys kicherte wieder. „Ich wage zu behaupten, dass das nicht die Schuld deiner Schwestern und deiner Mutter ist. Ich nehme an, wenn man immer in einer so großen Stadt wie Bristol gelebt hat, war man stets in Sicherheit und Geborgenheit und hatte keinen Beweis dafür, dass solche Geschichten über Geister wirklich der Wahrheit entsprechen. Ich glaube, jetzt ist es zu spät, deine Mutter und deine Schwestern eines anderen zu belehren, und Gott bewahre sie davor, dass sie gezwungen sind, ihre Ansichten zu ändern."
Einen Moment lang herrschte Stille. Carys schaute Telor an, doch ihr Blick drang nicht durch den Schatten, der von den Zeltplanen erzeugt wurde. Dann sagte Telor:
„Das Leben auf der Straße ist hart. Ich nehme an, auch du sehnst dich nach einem sicheren Nest."
„Oh, nein." Erneut gab Caiys ein leises, zufriedenes Kichern von sich. „Ich möchte das Leben auf der Straße nie aufgeben."
Telor empfand eine eigenartige Anwandlung von Erregung, die dieses Mal jedoch nicht fleischlicher Natur war, wenngleich lüsterne Gefühle die Grundlage für sein ganzes Verhalten waren, einem süßen, schweren Betäubungsmittel gleich, das ihn noch nicht vollständig berauscht hatte.
„Auch für mich ist es zu spät", fuhr Carys bedächtig fort, als erkläre sie mehr sich etwas denn ihm. „Vielleicht wäre ich zufrieden gewesen, hätte ich es besser gewusst, doch nun würde ich innerhalb von Mauern ersticken. Und ich könnte es nicht ertragen zu wissen, dass ich vollkommen und für immer vom Willen eines Mannes abhängig bin. Wenngleich ich diesen Weg nie beschritten habe, gibt es für mich immer eine Fluchtmöglichkeit. Ich muss keinen mir verhassten Gebieter ertragen. Ich könnte zu einer anderen Truppe gehen."
Die Worte hatten nicht Telor gegolten, doch bei dem Gedanken, dass eine Frau darüber befand, ob sie bei einem Mann, an den sie gebunden war, bleiben wolle oder nicht, empfand er einen Anflug von Entrüstung. Gleichzeitig wurde Carys verrückterweise noch begehrenswerter. Schwankend zwischen diesen beiden Regungen konnte er sich nicht entscheiden, was er erwidern solle.
Caiys, die sich nicht bewusst war, dass sie ihn sowohl schockiert als auch erregt hatte, fuhr verträumt fort: „Ich liebe das Leben auf der Straße. Ich liebe solche Nächte, Gespräche über gute Gefährten, die meinen Wert kennen. Ich liebe es zu wissen, dass morgen mein Seil gespannt werden wird, die Leute zu mir hochschauen, nach Luft schnappen und aufschreien, während ich tanze. Ich liebe es zu wissen, dass ich mir mit den aus Bewunderung für meine Fähigkeiten zugeworfenen Münzen mein Essen kaufen kann. Und am nächsten Tag bin ich an einem anderen Ort oder dort, wo ich zuvor schon ein Mal war, und dieser Ort hat sich so verändert, während ich unterwegs war, dass ich sagen kann: ,Oh, sieh mal!
Da steht ein neues Haus. Das Wirtshausschild ist erneuert worden.' Natürlich ist das heute eine wunderbare Nacht. Wenn ich vom Regen vollkommen durchnässt bin oder vor Kälte so sehr zittere, dass mir die Zähne klappern, dann ist mir das Leben auf der Straße nicht mehr ganz so lieb."
Bei den letzten Sätzen hatte Carys' Stimme anscheinend einen
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