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032

Titel: 032 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Seiltänzerin
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aus, dass er Schmerzen hatte und die Hand auf die Rippen legte.
    Zunächst sah Carys erstaunt aus. Dann erhellte sich ihre Miene. „Du meinst, weil das Kleid so zerrissen ist? Ich habe die Risse alle gerade geschnitten, so dass sie aussehen, als seien es absichtlich angebrachte Schlitze. Und das Vorderteil des Kleides ist nicht kaputt. Die Schnitte werden nach einiger Zeit ausfransen, aber im Moment würde das Kleid gute Dienste tun."
    „Es würde sehr gut dazu dienen, dass jeder Mann in der Stadt deine Blöße anstarren kann", erwiderte Telor gereizt. „Das verbiete ich!"
    Kaum hatte er das geäußert, stieg ihm die Röte ins Gesicht. Er begriff, dass seine Abneigung gegen Carys' Absicht zu tanzen wenig mit der Sorge, das könne seinem Ruf schaden, zu tun hatte und er auf diese Weise Carys und Deri seine wahren Gefühle für das Mädchen zu erkennen gegeben hatte. Mit einem Wort, er war eifersüchtig und wollte nicht, dass andere Männer, nicht einmal durch Blicke und lüsterne Gedanken, das vereinnahmten, was er für sich haben wollte. Und dennoch war er genau so schlimm wie diese Männer, denn war es nicht nur Lust, die er empfand? Er riss den Blick von Carys' verblüfftem Gesicht los, schloss die Augen und kämpfte gegen Tränen der Verlegenheit und der Schwäche an.
    Dadurch entging ihm, dass der verärgerte und schockierte Ausdruck in Caiys' Gesicht sich in staunende Bewunderung verwandelte. Telor wollte nicht, dass sie sich Blicken darbot, die nur lüstern waren. Sie wusste, das lag daran, dass er sie haben wollte.
    „Ich denke, ich könnte auch als Dienerin eines Kaufmanns durchgehen", sagte sie und lächelte Telor an, der das Gesicht abgewandt hatte. „Ich könnte mir ein Seil kaufen, wenn du die Ausgabe dafür zu den Kosten für die Sachen addierst. Für den Kauf des Seils könnte ich meine schönen Sachen anziehen, die Kapuze aufsetzen, um mein Haar zu verbergen und auch mein Gesicht verändern. Das kann ich. Dann könnte ich Deri treffen, meine Sachen wechseln und die alte Brayette sowie das einfache Hemd anziehen. Dann könnten wir gemeinsam in die Stadt reiten. Niemand würde mich erkennen, und ich könnte als Junge verkleidet auf dem Seil tanzen. Beim Seiltanzen sind es die Fähigkeiten des Tänzers und die Gefahr, in der er zu sein scheint, die wirklich zählen. Niemand achtet darauf, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt."
    Langsam schlug Telor die Augen auf und warf Carys einen Blick von der Seite zu. Er fand es schwer zu glauben, dass ihr sachlicher Vorschlag ernst gemeint und ihr fröhlicher Ton von Herzen kam. Aber ihre Miene bestätigte ihm, dass seine rüde Ablehnung ihres Ansinnens sie entzückte, und sogleich empfand er Freude darüber, dass sie froh war, dem Tanzen und den damit verbundenen Folgen entrinnen zu können. Einen Augenblick lang empfand er trotz der Schmerzen und der Schwäche ein Ziehen in den Lenden, weil er nicht glauben konnte, dass Caiys seine Eifersucht nicht aufgefallen sein sollte.
    Er versuchte, sein Verlangen zu unterdrücken, indem er sie wieder mit seinen Schwestern verglich, doch dieses Mal ging der Vergleich zu Carys' Gunsten aus. Sie war, abgesehen davon, dass sie Männern ihren Dolch ins Fleisch bohrte, auch in anderer Hinsicht anders als seine Schwestern. Seine Schwestern konnten stundenlang einer Kränkung wegen schmollen und greinen, selbst über eine eingebildete, und jedes Anzeichen von Schwäche beim Vater, den Brüdern oder den Gatten für ihre Zwecke ausnutzen, wohingegen Carys . . . An diesem Punkt rief Telor sich zur Ordnung, weil er wusste, dass die um Carys kreisenden Gedanken ebenso gefährlich waren wie sein Verlangen. Er hielt sich fest vor, der Grund dafür, warum sie sich nett und vernünftig gab, sei sein Angebot, ihr das zu geben, was sie haben wollte, und nicht, weil ihr Wesen sanfter und reizender war als das einer jeden anderen Frau.
    „Zumindest damit bist du also einverstanden?" fragte Deri in irritiertem Ton. Er war sich nicht bewusst, dass Telor seinen Gedanken nachhing. „Und falls du das nicht bist, wüsste ich gern, ob es sicher ist, hier in der Gegend zu jagen, oder ob wir verhungern sollen."
    „Lass ihn in Ruhe", sagte Carys leise. „Wir sind Toren, wenn wir jetzt über solche Dinge reden. Wir müssen heute Abend mit dem auskommen, was wir haben. Ich hoffe, dass wir alle morgen besser imstande sein werden zu beschließen, was wir am besten tun."
    Indem man mit dem auskam, was man hatte, geriet man keineswegs in die

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