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Carys gewesen, die ihn und Deri in diese Schwierigkeiten gebracht hatte, indem sie den neuen Herrn von Marston zu töten versucht hatte. Aber eine Frau, die jemanden außer Gefecht setzte, so leise, so flink, so mühelos . . . Nein, gab Telor sich zu bedenken, so leicht konnte das nicht für sie gewesen sein. Sie weinte noch immer, auch dann noch, als sie seine Hand an die Laute und die Harfe führte und ihm bedeutete, er solle sich die Instrumente über die Schultern hängen. Dann ging sie zu Deri und zog seine Hand zum Bauernspieß. Schließlich nahm sie das Bündel an sich. Der Zwerg gab ihr durch eine Geste zu verstehen, dass er auch das Bündel tragen könne, doch sie schüttelte heftig den Kopf und bedeutete ihm und Telor, ihr zu folgen.
Nach einer Minute kam man zu einer Leiter, die zu dem hölzernen Wehrgang führte.
Carys war schon ein Stückchen hinaufgeklettert, ehe Telor, dem vor Angst übel war, er könne ausrutschen und Lärm machen, den Fuß auf die erste Sprosse gestellt hatte. Während er sich bemühte, schneller hinaufzusteigen, hörte er eigenartige, dröhnende Schritte, als ob der sich nähernde Wächter besonders hart auftrat, damit sie schwer klangen. Er hielt, den Kopf auf gleicher Höhe mit dem Wehrgang und neigte sich zurück, um etwas sehen zu können. Da er nicht wusste, wo Carys war, würde er nichts unternehmen, es sei denn, der Wächter bemerkte ihn und machte Anstalten, Alarm zu geben. Es bestand die Möglichkeit, dass der Mann vorbeiging, da es seine Pflicht war, auf Angreifer von außerhalb der Mauern zu achten.
Ein Schatten näherte sich. Telor war so entsetzt, dass er kaum einen Schreckensschrei unterdrücken konnte, und der einzige Grund, warum er nicht den Halt verlor und von der Leiter stürzte, war, dass seine um die letzte Sprosse gekrümmte Hand wie erstarrt war. Der Wächter hatte keinen Kopf!
Das Wesen kam näher und stampfte bei jedem Schritt, als versuche es, den Weg zu finden. Vor Schreck blieb Telor
der Atem weg. Das geisterhafte Geschöpf bückte sich und griff nach ihm. Er konnte den Blick nicht von der Hand wenden, die nach ihm tastete, ihn beim Haar ergriff und ihn mit einem Ruck nach oben auf den Wehrgang zog.
Er presste die Augen zu, biss die Zähne zusammen und stieß mit dem Kopf gegen die Brüstung des Wehrgangs. Das tat weh, war aber ob seiner Dummheit der gerechte Lohn und die einzige Möglichkeit, die ihm einfiel, um nicht in schallendes Gelächter auszubrechen.
Der stampfende, kopflose Wächter - Carys, die das in die Decke gehüllte Bündel über den Kopf hielt, damit sie größer erschien - ging noch ungefähr zehn Schritte weiter, drehte sich um und kehrte zurück. Inzwischen hatte Telor sich geduckt, und Deri hockte neben ihm. Dem Zwerg war der Schreck erspart geblieben, den er selbst bekommen hatte. Durch die Schritte alarmiert, hatte Deri sich bereitgemacht, von der Leiter zu springen und den Freund aufzufangen. Da Telor sich jedoch zunächst nicht geregt hatte und dann trotz des patrouillierenden Wächters hochgeklettert war, hatte er gewusst, dass alles in Ordnung war. Mehr noch, er war nahe genug gewesen, um, als der kopflose Wächter zurückkehrte, Telors Grinsen erkennen zu können.
Carys blieb einige Minuten lang stehen und gab sich den Anschein, nach Feinden Ausschau zu halten, während sie in Wirklichkeit ein Ende des Seils um zwei Pfähle der Palisade band und eine große Doppelschlinge machte, in die Telor seine Füße stellen konnte. Sie führte ihm das vor, machte dann eine Schlinge um die Spitze eines seitlich stehenden Pfahls und demonstrierte dann schweigend Deri, wie er das Seil langsam um den Pfahl gleiten lassen müsse, während Telor sich hinunterließ.
Dann fing sie aus der Sorge, zu lange zu verweilen, wieder mit dem Patrouillengang an und biss sich ängstlich auf die Unterlippe. Alles war still, als sie zu der Stelle zurückkam, wo das Seil hing, und Deri und Telor waren verschwunden. Es dauerte nur einen Moment, bis sie das Bündel in die Schlinge geschoben und es herabgelassen hatte.
Mittlerweile hielt nur noch ein kleiner Rest von Vernunft sie davon ab, laut aufzuschreien und sich über die Palisade zu stürzen. In dem Augenblick, da das Gewicht des Bündels nicht mehr am Seil hing, riss sie das Seil nach oben und löste es von den Pfählen. Nur vermutend, wo die Mitte des Seil sein mochte, hängte sie diesen Teil um die Spitzen der Pfähle, ergriff die beiden Enden und ließ sich auf der anderen Seite des Wehrgangs
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