0320a - Terror zwischen Wolkenkratzern
Angst vor frischer Luft. Ihr Zimmer war mit dem Mief von Räucherkerzen verpestet. Und jetzt steht ein Fenster sperrangelweit offen. Da muß doch etwas faul sein, oder?«
»Wir werden sehen«, gab Phil zurück. »Etwas stimmt hier nicht. Wir müssen sofort nachsehen.« Er steuerte auf die Tür zu, die auf der linken Seite des langen Flurs lag.
Ich erinnerte mich, daß diese Tür ins Extra-Zimmer führte, und von dort gelangte man in das große Spielzimmer.
Wir betraten den Raum.
»Leer«, sagte Phil nur. Er marschierte weiter.
Ich schaltete das Licht an, denn obwohl draußen strahlende Sonne war, tauchten die paar Strahlen, die durch das milchige Glas der Oberlichter fielen, den Raum nur in dämmriges, trübes Zwielicht.
Mein Blick fiel automatisch auf das grüne Tuch des Billardtisches, der genau unter der Lampe stand.
Ich glaubte zuerst, mich getäuscht zu haben, trat näher an den Tisch heran und beugte mich über den dunklen Abdruck einer Hand, der deutlich auf dem Grün des Stoffes zu sehen war.
Ich holte ein kleines Messer aus der Tasche und klappte es auf. Vorsichtig löste ich ein wenig von dem verkrusteten Zeug.
Ich hielt die Klinge mit dem kleinen dunklen Stück, das ich vom Tuch des Billardtisches gelöst hatte, dicht unter die tiefhängende Lampe und prüfte es.
Es war kaum ein Zweifel möglich.
Das war verkrustetes Blut.
In diesem Augenblick kam Phil zurück.
»Im ganzen Laden ist kein Mensch«, sagte er. »Aber es muß ungebetener Besuch hier gewesen sein.«
»Wie kommst du darauf?« wollte ich wissen.
»Die Kasse ist aufgebrochen. In dem Raum am Eingang sieht es aus, als habe eine Horde Wilder gehaust. Alle Schubladen sind aufgerissen, die Kasse ist zertrümmert, alles liegt durcheinander wie nach einem Bombenangriff. Aber wir werden die Burschen bald haben, denn einer von ihnen hat einen deutlichen Abdruck seiner Hand hinterlassen.«
»Einer blutigen Hand?« fragte ich.
Phil nickte.
»Also genau wie hier.« Ich deutete auf den blutigen Abdruck vor mir auf dem Billardtisch. »Und trotzdem stimmt etwas nicht an der Geschichte.«
Ich machte auf dem Absatz kehrt und stürmte aus dem Zimmer, fegte die Treppe zum ersten Stock hoch und stieß die Tür zum Zimmer von Gloria Van Dine auf.
Sämtliche Lampen im Raum brannten. Ein Fenster stand weit offen. Es war das Fenster neben der schmalen Tür, die auf den Balkon nach draußen führte.
Der Leibwächter mit dem glattrasierten Kugelkopf lag unter dem Fenster mit ausgebreiteten Armen in einer Blutlache.
Gloria Van Dine saß in einem Sessel hinter dem antiken Schreibtisch.' Ihr Oberkörper war auf die Platte niedergesunken. Der Kopf lag seitlich auf dem rechten Unterarm, und es sah aus, als schliefe sie.
Der Einschuß saß genau zwischen den Augen.
Die Wunde hatte kaum geblutet.
Der zweite Leibwächter von Gloria Van Dine war im ersten Augenblick nicht zu sehen.
Dann entdeckte ich das Bein. Es ragte hinter den beiden dicht nebeneinander stehenden Sesseln hervor. Es war seltsam verdreht. Der Mann, dem es gehörte, war auch tot.
***
»Wenn das Telefon in Ordnung ist, ruf bitte unsere Spezialisten«, bat ich Phil. Ich hörte, wie rauh meine Stimme auf einmal klang.
Ich ging zu dem offenstehenden Fenster und beugte mich zu dem Toten hinunter.
Es war so 'still in dem Zimmer, daß ich deutlich das Freizeichen hörte, als Phil den Hörer des Telefons von der Gabel abhob.
Ich betrachtete die Leiche.
Die Mörder hatten augenscheinlich die Taschen des Mannes durchwühlt. Die Leiche war ein Stück zur Seite gedreht und die Jacke aufgerissen worden.
Den abgesprungenen Knopf entdeckte ich unter den Heizkörpern in der Nische unter dem Fenster.
»Sie kommen gleich«, sagte Phil hinter mir.
Mein Blick fiel auf einen Gegenstand, der hinter einer kleinen Blumenbank auf dem Boden lag. Es war eine Brieftasche.
»Eins verstehe ich nicht, Jerry«, sagte Phil. »Hier sind keinerlei Spuren eines Kampfes zu sehen. Ich kann einfach nicht kapieren, daß sich die drei ohne Gegenwehr haben umbringen lassen.«
»Die anderen müssen in der Überzahl gewesen sein«, folgerte ich. »Außerdem wurde Gloria Van Dine und ihre Schutztruppe wahrscheinlich überrascht. Untersuch doch bitte die Brieftasche, die hinter der Blumenbank liegt!«
Phil holte sein Taschentuch aus der Brusttasche, wickelte es um die Ringer und griff dann nach der Brieftasche.
»Das Ding ist leer«, berichtete er endlich. »Hier ist aber ein deutlicher Daumenabdruck drauf.
Weitere Kostenlose Bücher