0322 - Das Fratzengesicht
Ich ging ins Bad, zog mich aus und stand wenig später unter der Dusche.
Diese Hotels hatten auch den Vorteil, daß alles perfekt funktionierte.
Der Wasserdruck war ausreichend, die Hygiene einwandfrei, und ich fühlte mich bald wie neugeboren.
Als ich, ins Badetuch gehüllt, zurück in mein Zimmer kam, summte das Telefon.
Ich hob ab und vernahm die Stimme einer Frau von der Rezeption.
»Mr. Sinclair, Sie werden erwartet.«
»Von wem?«
»Es ist ein Inspektor.«
Ich konnte mir ein Grinsen nicht verbeißen. Also doch. Die Kollegen hatten schnell geschaltet. »Sagen Sie dem Mann, er möge sich noch wenige Minuten gedulden. Ich komme gerade aus der Dusche.«
»Natürlich, Mr. Sinclair.«
Rasch war ich angezogen, streifte ein leichtes Jackett über und sagte im Nebenzimmer Bescheid. Shao empfing mich im Bademantel.
Suko stand noch unter den Strahlen.
Die Chinesin versprach, Suko zu informieren, und ich fuhr nach unten.
In der Halle war es noch voller geworden. Touristen aus den Niederlanden bevölkerten sie wie eine Herde. Die Offiziellen hatten alle Hände voll zu tun, um den Strom richtig zu leiten.
Einen Polizisten suchte ich vergebens. Ich wandte mich den Sitzecken zu, sah aber keinen Mann in Uniform.
Hatte man mich geleimt?
»Mr. Sinclair?« Hinter mir hörte ich eine weibliche Stimme und drehte mich überrascht um.
Vor mir stand eine hübsche Frau. Im Moment war ich perplex, und sie erkundigte sich noch einmal nach meinem Namen.
»Ich bin John Sinclair.«
»Mein Name ist Susan Perth. Inspektor Perth.«
Jetzt fiel bei mir der Cent. Das war wirklich ein Ding. Mit einer Kollegin hatte ich wirklich nicht gerechnet. Sie sah hübsch aus.
Allerdings war sie ziemlich klein, denn sie reichte mir nur bis zur Schulter. Ihr rotbraunes Haar lag gewellt um ihren Kopf, das Lächeln war herzlich, doch die blaugrünen Augen wirkten ein wenig kühl. Ich glaubte, daß diese Dame ihren Job verstand.
»Sie sind eine Frau.« Mehr als dieser dumme Satz fiel mir nicht ein, und ich ärgerte mich darüber.
»Das sieht man, hoffe ich.« Schlagfertig kam die Antwort. In der Tat war es nicht zu übersehen. Ihre Figur war genau an den Stellen gerundet, wo Männer es gern hatten, das konnte auch die uniformartige Jacke nicht verbergen, die sie trug. Normale Polizisten liefen in Hongkong in Khakikleidung herum. Susan Perth nicht. Bei ihr hatte man eine Ausnahme gemacht. Ein dunkles Blau mußte sie jedoch anziehen. Die weiße Bluse stand im farblichen Kontrast dazu.
»Entschuldigen Sie«, sagte ich. »Aber Sie haben mich wirklich überrascht.«
»Dabei ist Ihr Kollege auch Chinese.«
»Sie wissen viel, Inspektor.«
Sie lächelte weiter. »Aber leider nicht genug.«
»Und deshalb wollten Sie mich sprechen?«
»Genau.«
Freie Plätze gab es genug. Ich deutete auf eine rote Sesselgruppe, die ziemlich versteckt stand, dennoch von den Lifts her gut zu überblicken war, so daß Suko keine Schwierigkeiten haben würde, uns zu sehen, wenn er ankam.
Wir nahmen Platz. Sehr schnell eilte ein Ober herbei und erkundigte sich nach unseren Wünschen.
Wir einigten uns auf Tee.
»Sind Sie schon lange in Hongkong?« erkundigte ich mich.
»Seit meiner Geburt. Ich habe englische Eltern. Mein Vater war auch bei der Hongkong Police. Er ist jetzt pensioniert.«
»Woher wußten Sie, daß wir kommen?«
Jetzt lachte sie und beugte ihren Kopf zurück. »Mr. Sinclair, ich bitte Sie. Hongkong ist zwar nicht London und liegt, von Ihrer Heimatstadt aus gesehen, am anderen Ende der Welt, aber wir sind beide Briten, und wer bei uns hier als VIP aussteigt, der wird natürlich auch diskret überprüft. Die Namen John Sinclair, Suko und Shao sagten uns einiges. Wir stehen schließlich mit dem Yard in Verbindung.«
»Das hatte ich gewußt, Miß Perth – oder Missis?«
»Nein, Miß.«
»Okay, auf jeden Fall freue ich mich, einer hübschen Kontrolleurin begegnet zu sein.«
»Ich weiß nicht, ob es eine so große Freude für Sie wird«, dämpfte sie meine Euphorie.
»Wieso?«
»Wir finden es nicht gut, daß man uns nicht informiert hat.«
»Das hätte ich sehr schnell getan.« Ich benutzte eine kleine Notlüge.
»Wirklich, Miß Perth.«
»Ich bin mir nicht sicher.«
»Das sollten Sie aber.«
»Lassen wir das Geplänkel, Kollege. Was führt sie tatsächlich nach Hongkong?«
Ich hatte Zeit, mir die Antwort zu überlegen, denn unser Tee wurde gebracht. Als der Ober verschwunden war, rückte ich allmählich mit der Wahrheit heraus. »Sie
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