0322 - Das Fratzengesicht
der aus irgendwelchen Ritzen im Boden stieg und sich allmählich innerhalb des Lagerraums ausbreitete.
Lautlos wallte er auf Mandra Korab zu, der in den unsichtbaren Fesseln hing und wehrlos war. Der dämonische Nebel umfing ihn wie mit Geisterarmen. Er umschmeichelte seinen Körper und drückte gleichzeitig zu, so daß der Inder in einer Falle steckte, aus der er kein Entkommen mehr sah.
»Jetzt kommst du zu uns!« hörte er die Stimmen. »Jetzt wirst du in unsere Reihe eingegliedert. Du hast keine Chance mehr. Wir haben auf dich gewartet. Das Fratzengesicht schlägt zu…«
Mandra erlebte die nächsten Sekunden wie im Traum. Er merkte, daß ihm der Atem abgeschnürt wurde. Die Fratzen verschwammen innerhalb der dichten Nebelschleier. Für eine kaum meßbare Zeitspanne umgab ihn eine völlig andere Umgebung.
Irgendwann, Mandra hatte das Gefühl für Zeit längst verloren, sah er wieder klar.
Er befand sich auch weiterhin in dem Lagerraum. Nur sah er ihn jetzt aus einer anderen Perspektive. Aus halber Höhe schaute er auf den Boden, wenn er die Augen verdrehte.
Der Inder wußte Bescheid! Es gab kein Zurück mehr. Die Magie des Fratzengesichts hatte ihn voll getroffen. Er, der Mensch, war eingeschlossen in die Reihe der Vampirgesichter…
***
In Hongkong empfing uns das Frühjahr mit Temperaturen, die wesentlich über denen lagen, die wir in London zurückgelassen hatten.
Dennoch war es nicht zu heiß, so daß sich unsere Körper nicht erst großartig umzustellen brauchten.
Der Flug war lang und ermüdend gewesen. Wir drei hatten hin und wieder geschlafen, dennoch fühlte sich keiner so recht frisch, als die Maschine auf der langen, ins Meer reichenden Landepiste des Airports aufsetzte.
Shao hatte uns während des Flugs mehrmals versichert, daß sie mit der Vergangenheit nichts mehr zu tun haben wollte. Das Kapitel war für sie abgeschlossen. Demnach wollte sie auch nicht die zahlreichen Orte aufsuchen, die sie von früher her kannte.
Wir aber mußten eine Spur des Fratzengesichts finden. Wo wir anfangen sollten, wußten wir auch nicht.
Nicht weit entfernt lag Rotchina. Das kannten wir mittlerweile auch.
Der Fall der Grabräuber hatte uns vor einigen Wochen in diese Ecke geführt und wäre fast unser letzter gewesen. [1]
Asien war eben immer für eine Überraschung gut.
Bereits am Flughafen war schon etwas von dem Trubel zu merken, der Hongkong so berühmt-berüchtigt gemacht hat. Aber der Wirrwarr wurde noch schlimmer, als wir mit dem Taxi in die eigentliche Stadt fuhren. Allein wäre ich hier verloren gewesen, zwischen all den Fahrzeugen auf vier, drei oder nur zwei Rädern.
Unsere Kollegen wußten nicht Bescheid. Wir wollten zunächst einmal versuchen, im Untergrund zu wirken. Wenn wir Hilfe benötigten, dann sollte auch die einheimische, sprich britische Polizei eingeschaltet werden. Die entsprechenden Papiere trug ich bei mir.
Zwei Zimmer waren im Hilton reserviert worden. Die Sonnenstrahlen wurden von einer gewaltigen Fensterfront reflektiert.
Ein wirklich beeindruckendes Gebäude, das da vor unseren Augen lag.
Der Fahrer hielt, grinste, und wir stiegen aus. Ich beglich die Rechnung.
In meinem Nacken spürte ich den kalten Schweiß. Das kam nicht allein durch die Temperatur, sondern auch durch die Fahrweise des Drivers.
Dank unserer Ausweise galten wir als VIPs und waren nicht kontrolliert worden. Sicherlich hatte man unser Eintreffen bereits weitergegeben, so daß wir damit rechnen konnten, irgendwann von den Behörden auf unseren Besuch hin angesprochen zu werden.
Eine große, wohlklimatisierte Hotelhalle nahm uns auf. Ich mochte die Hallen der internationalen Hotels nicht besonders. Sie alle waren nach Schema F eingerichtet. Blumenkübel, Sitzecken, der Stimmenwirrwarr, der nie abnahm, die lange Rezeption mit den zahlreichen Fächern und Schlüsselborden dahinter…
Man bestätigte unsere Reservierung, wir bekamen neben einem freundlichen Lächeln auch die Schlüssel gereicht, und ein Boy kümmerte sich um unser Gepäck.
Suko wollte seinen Koffer selbst tragen. Auch ich gab den Einsatz koffer nicht aus der Hand.
Wenn wir irgendwo ein Hotelzimmer beanspruchten und eine lange Reise hinter uns hatten, lief dies stets nach dem gleichen Ritual ab. Wir begaben uns in die Zimmer und duschten.
So war es auch hier.
Das Hilton besitzt überall in der Welt eine gewisse Standardeinrichtung. Auch in Hongkong.
Die Minibar war ebenso vorhanden wie ein TV-Gerät. Beides interessierte mich nicht.
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