0325 - Die Loge der Henker
trinken. In einem vorgehaltenen Spiegel überprüfte Conchita ganz genau, ob sie ein Spiegelbild zeigte.
Dann nahm die alte Frau das Messer in die Hand und ging langsam auf Dagmar Holler zu. Instinktiv wich das Girl zurück, als sie die nadelförmige Spitze auf sich gerichtet sah.
»Jetzt wird es ein wenig wehtun – aber es ist der wichtigste Teil der Probe!« sagte die Frau des Spaniers. »Ziehen sie die Jacke aus und entblößen Sie einen Arm, Señorita!«
»Was soll der Blödsinn?« fauchte Dagmar. »Jetzt wird es mir aber zu bunt. Bin ich hier unter die Irren geraten?« Ein Klicken hinter sich machte dem Girl klar, daß Rodrigo die Flinte schußfertig machte.
»Sie ist ein Werwolf. Ich habe es geahnt. Sie fürchtet sich vor der Probe… weil sie innen einen Pelz trägt … und weil ihr Blut eine schwarze Farbe hat. Meine Silberkugel wird dir ein Ende bereiten, Kreatur des Satans!«
»Bitte, Señorita. Er schießt, wenn Sie nicht tun, was er sagt. Ich will nicht, daß Sie sterben!« stieß Juan erschrocken hervor…
Das wollte Dagmar auch nicht. Sie, verzichtete darauf, Rodrigo Munilla beherzt anzuspringen und ihm das Gewehr zu entreißen.
Das harte Glimmen in den Augen des Spaniers zeigte an, daß er ohne zu zögern von der Waffe Gebrauch machen würde.
Schnell zog sich Dagmar die enge Jacke aus feinem schwarzen Leder aus und schob den Ärmel ihrer Bluse nach oben. Dann sah sie zur Seite. Sie konnte zwar Blut sehen – aber nicht ihr eigenes. Da kippte sie um.
Es war nur ein kleiner Schmerz und Conchita legte sofort einen weißen Lappen über die unbedeutende Schnittwunde.
»Kein Pelz und rotes Blut, Rodrigo!« sagte sie dann erleichtert.
»Sie ist ein normaler Mensch. Jetzt darf ich Sie willkommen heißen in unserem Hause, Señorita Holler. Nehmen Sie Platz. Sind Sie hungrig? Sind Sie durstig? Juan, steh nicht so herum wie ein geschnitzter Heiliger am Altar. Geh und bring Brot und Käse. Ja, und auch Wein. Aber den Wein, den wir selbst trinken. Und beeil dich. Vamos! Adelante! «
Dagmar Holler kam aus dem Staunen nicht heraus. Die beiden Wirtsleute waren wie ausgewechselt. Ihre Mienen hatten sich geändert wie eine eisige Polarnacht zum sonnigen Tag am Äquator. Sie mußte sich in einen besonderen Sessel setzen, und Juan schleppte genug Nahrungsmittel herbei, die ausgereicht hätte, ein halbes Dutzend erwachsene Männer zu versorgen. Aber sie war hungrig und langte kräftig zu. Nur mit dem Wein hielt sie sich etwas zurück.
Wein konnte sie nicht so kontrollieren wie ihr Lieblingsgetränk Barcadi mit Cola.
Zwischendurch mußte sie mit kauenden Backen erzählen, wo sie herkam und warum sie hierher in die Pyrenäen gefahren war. Immer wieder mußte Dagmar von ihrer Heimatstadt Frankfurt am Main erzählen, von der man sogar hier etwas gehört hatte. Es war nur kompliziert, in spanischer Sprache über ihr geliebtes »Mainhattan« Vorträge zu halten.
»Wie kommen Sie eigentlich dazu, mich für einen Werwolf oder so was zu halten?« kam Dagmar nach einer Weile zu dem Thema, das sie interessierte. »Die wenigsten Leute glauben an diese Dinge. Haben Sie schon mal einen Werwolf hier in der Gegend gehabt?«
»Werden Sie uns nicht auslachen, wenn wir offen darüber reden?« fragte Rodrigo Munilla. »Wir hier in den Bergen mögen es nicht, wenn man über diese Dinge spottet.«
»Ich habe schon viel davon gehört!« erklärte Dagmar Holler. »Und es interessiert mich wirklich!«
»Sie werden nicht lachen, wenn ich behaupte, daß es hier in der Gegend über die Jahrhunderte immer wieder Spukerscheinungen, Zauberei und Hexen gegeben hat?« fragte der Wirt der Cantina noch einmal.
»Aber nicht im Geringsten, Señor Munilla!« versicherte Dagmar und sah zu Juan hinüber. Aber in den Augen des jungen Mannes stand zu lesen, daß er ebenfalls nächtlichen Spuk voll akzeptierte.
»Bitte erzählen Sie mir alles. Ich habe einen guten Freund, der sich mit der Bekämpfung von Teufelsspuk und Hexenwesen beschäftigt. Vielleicht kann er Ihnen helfen. Sein Name ist Professor Zamorra und er wohnt in Frankreich im Loiretal!«
»Nie gehört – diesen Namen!« erklärte Munilla. »Wir haben hier nicht viel Kontakt mit der Außenwelt. Auch Zeitungen bekommen wir nur ganz selten.«
»Erzählen Sie mir bitte, was hier los ist!« bat Dagmar. »Ich habe gespürt, daß die Wölfe irgendwie aggressiver waren als gewöhnlich. Und als ich hierher ins Dorf gelaufen bin, da habe ich gespürt, daß etwas hinter mir war!«
»Der
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