0325 - Die Loge der Henker
hinzurichten!« erzählte Conchita eifrig. »Das war seit Generationen das erstemal, daß die Loge der Dämonenhenker wieder einen Teufelsdiener hingerichtet hat!«
»Die Dämonenhenker – sind das Leute aus dem Ort?« fragte Dagmar.
»Es ist eine Vereinigung von Männern, die überall ihre Augen haben und die Werke des Teufels erkennen!« sagte Rodrigo Munilla mit feierlicher Stimme. »Das Amt eines Logenbruders wird immer vom Vater auf den ältesten Sohn vererbt und so ist es bis in unsere Tage überkommen. Wenn einer der Brüder spürt, daß in unserer Gegend Wesen des Teufels hausen, dann ruft er die Loge zusammen. Zu nächtlicher Stunde trifft man sich. Die Gesichter sind durch schwarze Kapuzen unkenntlich, und alle tragen schwarze Kutten, die schon ihre Väter, Großväter und Urgroßväter mit Stricken um die Lenden gürteten. An heiliger Stätte versammeln sie sich. Dort, wo der große Kaiser Karl das Kloster San Salvador gründete, das man hier für das Seelenheil von Roland und seinen tapferen Frankenkriegern bete. Das Kloster ist zerfallen, und in den Resten der Abteikirche spielt heute der Bergwind. Aber dennoch gilt diese Stätte als heilig. Von hier zieht die Loge zum Kampf gegen das Böse und vernichtet es!«
»Wir haben vor ungefähr einem Mond einen Zauberer daran gehindert, den Teufel zu beschwören!« setzte Juan hinzu. »Mein Freund Pedro, der Sohn vom Bürgermeister und ich auch waren zum ersten Mal dabei. Nun mag die Seele des Verfluchten in der Hölle braten!«
Dagmar Holler biß sich auf die Lippen. Diese Menschen lebten nach uralten Traditionen und glaubten, vor ihrem Gewissen das Richtige zu tun. Sie wollte nicht weiter fragen, welche Beweise man gegen den »Zauberer« hatte und ob er nicht vielleicht unschuldig war. Zwar wußte Dagmar Holler, daß es auch in unseren Tagen tatsächlich Magier gab, die mit ihren unheiligen Künsten mehr Schaden als ganze Armeen anrichten konnten – doch sie wußte auch nur zu gut, daß gerade in solchen einsamen Gegenden Sonderlinge und Leute, die sich bewußt außerhalb der Gemeinschaft stellten, verdächtig waren.
Sie selbst wurde von ihrer ganzen Umwelt mißtrauisch beobachtet, weil sie mit Vorliebe Gruselromane las und sich mit den Geheimnissen okkulter Kräfte und der Welt der geheimen Mächte ernsthaft auseinander setzte, noch bevor sie Professor Zamorra kennenlernte. Eine Mädchenzeitschrift, der sie vor Jahren ein Interview über ihr Hobby gab, zog alles ins Lächerliche – aber dennoch rückten viele Bekannte in abergläubischer Scheu von ihr ab. »Nur eine echte Hexe interessiert sich für Hexenkunst!« flüsterte man hinter ihrem Rücken. Dagmar Holler war sich schon damals darüber klar, daß sie bei einer modernen Hexenjagd eine der ersten war, die man vor das Offizium schleppte. Auch in der Zeit der Hexenverfolgungen im ausgehenden Mittelalter hatte eine einfache Anzeige genügt.
Frauen, die sich auf Heilmittel der Natur verstanden, wurden denunziert. Gelehrte, die sich mit astronomischen Werken der Antike, mit der Heilkunst der Araber oder mit den Erkenntnissen der Chemie, wie sie aus dem fernen China herüber kamen beschäftigten, waren Zauberer. Anerkannte Gelehrte wie Paracelsus, Agrippa von Nettesheim und Galilei fürchteten die Hexenjäger und die Inquisition, die nur deshalb nicht ernsthaft gegen sie vorging, weil sie einfach zu bekannt waren. Aber die vielen kleinen selbsternannten »Magier« wurden gefaßt und nach mit Folter erpreßten Geständnissen hingerichtet.
Dagmar Holler wußte, daß es viele Hexenprozesse gegeben hatte, die sich deshalb so lange hinzogen, weil das Offizium sich ernsthaft Mühe gab, die echte Wahrheit zu erfahren. Die Protokolle der Verhandlungen, die noch erhalten sind, lassen erkennen, daß die Aussagen mehr auf philosophischreligiösen Disputen beruhen und nicht erkennen lassen, daß sie auf der Folter erpreßt wurden. Die Männer, welche die Untersuchung leiteten, waren der festen Überzeugung, daß es sich um echte Hexen und Zauberer handelte und sie nicht nur ein gottgefälliges Werk mit ihrer Hinrichtung taten, sondern daß sie auch ihre Mitmenschen und deren Seelenheil vor der Macht des Teufels bewahrten. Gleichzeitig setzten sie alles daran, die Angeklagten zu Geständnissen und Reue zu bewegen – weniger um einen Schuldspruch herbeizuführen, sondern weil sie der festen Überzeugung waren, dem Teufel durch echte Buße und Reue des Angeklagten eine Seele zu entreißen. Die Prozeßkosten der
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