0325 - Die Loge der Henker
Wenn die Verwandlung einsetzt und zu erkennen ist, daß die Natur des Wolfes durchbricht – dann wird geschossen und das Böse vernichtet. Wenn sie bei Tagesanbruch immer noch ihr Aussehen haben, sind sie keine Wölfe – und ich zweifele trotz ihres Geständnisses ernsthaft daran!«
»Der Vorschlag ist gut. Doch warum dein Zweifel?« fragte Sanchez.
»Sie kamen zu Pferde in unser Dorf«, erklärte Lopez. »Tiere haben ein wesentlich besseres Gespür als Menschen. Sie ahnen eine Gefahr lange voraus. Die beiden Tiere hätten sie nicht getragen, wenn sie in ihrem Inneren etwas von einem Wolf verspürt hätten. Nun, Brüder, beratet und beschließt, wie zu handeln ist!«
Die Abstimmung war schnell durchgeführt. Alle waren dafür, den Vorschlag des Miguel Lopez zu verwirklichen. Die beiden Studenten wurden informiert, was die beiden Gestelle mit den Gewehren darstellen sollten.
Stundenlang sahen sie in ein kleines, kreisrundes Loch, aus dem in jeder Sekunde der Tod ihnen entgegen fauchen konnte.
In eisigem Schweigen und ohne unter den Kapuzen Regung zu zeigen beobachteten die Dämonenhenker genau, ob sich an ihren Körpern irgendwelche Veränderungen zeigten…
Langsam rückte der Zeiger der Uhr auf die Mitternachtsstunde…
***
»Ich hätte nicht geglaubt, daß du den Mut hättest, zu kommen, Juan!« hörte der junge Mann die Stimme seines ehemaligen Freundes aus der gestaltlosen Dunkelheit. Irrte er sich oder klang sie in diesem Moment besonders kehlig?
Und diese vom Mondlicht umflossenen Konturen der Gestalt – war das der schmächtige Körper, den er kannte?
Eine Ahnung des Unbekannten stieg in Juan Munilla auf. Da war etwas in seinem Inneren, das ihn vor einer Gefahr warnte, gegen die er sich nicht wehren konnte. Etwas stand ihm gegenüber, dessen Ausstrahlung ihn erschreckte.
Doch es gab kein Zurück mehr. Er war hier und mußte kämpfen.
Oder sein Name war hier in der Gegend erledigt. Den Kampf verlieren, das war etwas anderes als vor dem Kampf im Angesicht des Gegners zu fliehen. Er hatte die Herausforderung angenommen und konnte dem Duell nicht mehr ausweichen.
»Ich bin gekommen um dir zu beweisen, daß ich kein Feigling bin, Pedro!« sagte Juan und bemühte sich, seiner Stimme einen festen und entschlossenen Klang zu geben. »Aber wenn du es willst, können wir uns hier in aller Stille gütlich einigen. Wir waren bisher gute Freunde. Die Worte, die gesagt wurden, sie können vom Bergwind hinweggeweht werden – wenn du es willst!«
»Ich will aber nicht!« klang Pedros Stimme spöttisch. »Ich lasse mir die Gelegenheit nicht entgehen, über dich zu triumphieren. Und dann gehe ich zu der Señorita und erzähle ihr, wieviel ein Jüngling wie du wert ist. Ich bin sicher, sie dankt mir, dem Mann, daß er sie vor einem gerade dem Knabenalter entwachsenen Bauernsohn bewahren wird!«
»Du Schuft, du gemeiner…!« heulte Juan Munilla auf. Diese Worte trafen sein stolzes Herz wie Pfeile mit glühenden Spitzen. Er stürmte vor und warf sich auf Pedro Sanchez. Auf die alte Regel, daß der Kampf erst nach Mitternacht begonnen werden soll, achtete er nicht mehr. Wer denkt bei beißendem Spott wie diesem an einige Minuten?
Pedro Sanchez wurde voll überrumpelt. Juans Fäuste wirbelten und trafen ihn so, daß er rückwärts taumelte. Noch ein Schlag und er ging zu Boden. Breitbeinig stand Juan Munilla über ihm. Er sah, daß Pedros Gesicht von den derben Hieben gezeichnet war. Überall im Dorf konnten die Leute morgen erkennen, wer in dieser Nacht der Sieger war.
Minutenlang sah Juan den einstigen Freund nur an. Aus seinen Augen glitzerte eisige Verachtung. So mächtig er geprahlt hatte – so einfach war er besiegt worden. Achselzuckend drehte sich Juan Munilla herum und ging einige Schritte in Richtung der Straße, die nur einige Steinwürfe weit entfernt lag. Den geschlagenen Gegner ließ er hinter sich.
Pedro Sanchez würde sich zurück nach Esteban schleichen und sich so lange nicht mehr sonderlich in der Öffentlichkeit zeigen, bis die roten und blauen Flecken, wo Juan Treffer gelandet hatte, aus seinem Gesicht verschwunden waren.
Dennoch war es für ihn ein bitterer Triumph. Pedro und er waren einmal gute Freunde gewesen. Welcher Dämon mochte ihn geritten haben, solche Worte zu sagen, die das Herz eines Spaniers so verwunden konnten.
Welcher Dämon…?
Die massige Körpergestalt… die zusammengewachsenen Augenbrauen … der behaarte Körper, den Juan am Tage gesehen hatte ohne sich Gedanken
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