0326 - Dämonen-Paradies
die Gruft ihrer dem Teufel hörigen Ahnen lag.
Die Tiefe verschluckte sie. Flackernd bewegten sich die beiden Kerzenflammen, tanzten, malten Schatten an die Wände und schufen gespenstische Wesen, die mit dazu beitrugen, daß die Furcht der Frau sich noch mehr verstärkte.
Eine innere Stimme warnte sie davor, die Gruft zu betreten, dennoch erreichte sie die alte Tür in der Mauer und blieb davor stehen. Um ihre Brust schien ein unsichtbarer Reif zu liegen, und Maxi sah ihm etwas helleren Licht der Flammen die eingravierte Warnung innerhalb des Holzes.
WER DIESE GRUFT BETRITT, WIRD DIE UNSICHTBAREN SCHWINGEN DES TODES AUF SEINEM KÖRPER SPÜREN.
Nie war Maxi Mandix die Warnung so deutlich zu Bewußtsein gekommen, wie in diesem Augenblick. Natürlich hatte sie als Kind den Satz gelesen, ihn aber kaum verstanden.
Jetzt sah sie ihn mit anderen Augen an, und sie erinnerte sich an die Szene, als sie im Bett gelegen hatte. Da waren die Gestalten um ihre Liegestatt herumgetanzt. War von ihnen nicht schon der Hauch des Todes ausgegangen? Hatte sie ihn nicht bereits gespürt?
Die Gänsehaut blieb, als sie den Leuchter zu Boden stellte, denn um den schweren Riegel aufzuschieben, benötigte sie beide Hände, da er an seiner Halterung starken Rost angesetzt hatte.
Beim zweiten Versuch schaffte sie es. Der schwere Riegel fuhr mit einem kratzenden Geräusche zurück.
Jetzt war die Tür offen!
Sollte sie sich freuen? Würde sie den Beweis für ihre Vermutungen finden?
Maxi Mandix wußte es noch nicht. Aber sie war bereit, die Geschichte der Monstren zu glauben.
Fünf Ahnen hatte sie gehabt, die nicht den Lehren der christlichen Kirche folgen wollten und sich mit der Hölle verbunden hatten.
Vielleicht stammte auch daher ihr Drang nach dem Unheimlichen. Es mußte das Erbe dieser Ahnen sein, das in ihren Adern floß.
Mit einer Handfläche drückte die Frau die Türhälfte nach innen.
Nichts geschah lautlos. An der unteren Seite kratzte die Tür über den Boden, dazu quietschte sie in den Angeln. Es kam noch die Dunkelheit hinzu, der flackernde Kerzenschein, das Wissen der Frau, in welch einen Raum sie schritt und die wallenden Dunstschwaden, die ihr aus der unheimlichen Gruft entgegenwehten Das war Grusel wie im Film!
Nur erlebte sie dies in Wirklichkeit, und sie fühlte abermals die große Beklemmung. Zwar wußte sie es nicht genau, aber sie ahnte, daß es in der tiefen Gruft nicht mit normalen Dingen zuging. Hier spielte sich ein unheimlicher Vorgang ab, eine Szenerie des Schreckens, und sie vernahm auch die geisterhaften Stimmen.
Wie im Traum schritt sie über die Schwelle.
Sie setzte einen Fuß vor den anderen. Der Mund stand offen. Nur flach ging der Atem, im Hals spürte sie ein kratziges Gefühl, und in ihrem Nacken wollten sich die feinen Härchen hochstellen.
Den Leuchter hielt sie in der rechten Hand. Die Flammen tanzten in einem zuckenden Rhythmus, denn das Zittern ihres Arms übertrug sich auch auf den Leuchter.
Es war zudem ein sehr seltsamer Nebel, der ihr da entgegenwehte. Die Schwaden zeigten keine graue, sondern eine tiefblaue Farbe. Sie wallten lautlos heran und drängten auf sie zu wie unheimliche Geistwesen, die einem Schattenreich entstammten.
»Komm… komm herbei…« So lockte plötzlich eine geheimnisvolle Stimme, die sich aus mehreren zusammensetzte und sich zu einer einzigen Vereinigte.
Wer wollte da etwas von ihr?
Maxi blieb inmitten der wallenden Schwaden stehen. Die Kerzenflammen zeichneten verwachsene Kreise in den Dunst, die an den Rändern zu seltsam blauroten Gebilden zerflossen.
»Komm nur näher, komm nur näher…« Abermals vernahm sie die Stimmen, die so drängend waren, daß sie ihrem Ruf einfach folgen mußte und tiefer in die Gruft schritt.
Die Decke konnte sie nicht erkennen. Der blaue Dunst nahm ihr die Sicht, und auch die schweren steinernen Sarkophage entdeckte sie nicht, nur die wallenden Schwaden, die ihr lautlos entgegenflossen.
Sie wunderte sich darüber, daß ihr beklemmendes Gefühl der Angst verschwunden war. In diesen Momenten empfand sie nur mehr eine große Neugierde auf das Kommende.
Und die Schwaden teilten sich. Ihr kam es vor, als trüge ihre innere Bereitschaft, sich auf die neue Umgebung einzustellen, einen Teil der Schuld daran.
Der Blick wurde frei!
Im flackernden Schein der Kerzen sah sie die fünf großen Sarkophage aus Stein, während sich hinter ihr der blaue Nebel zusammenzog und durch die offenstehende Tür verschwand.
Kalt, beklemmend,
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