0328 - Wir legten einen Köder aus
ob wir so lange warten können. Jackson kann jeden Augenblick das nächste Verbrechen begehen.«
»Sie meinen, der Hehlerkönig hätte uns reingelegt?«
»Ja, warum nicht? Solche Leute sind doch nicht einmal bei Wildfremden scharf darauf, uns zu helfen. Und dann bei dem eigenen Bruder? Ich hätte eher daran denken sollen.«
»Eine Möglichkeit ist es jedenfalls«, gab der Chef zu. »Und welche Folgerungen wollen Sie daraus ziehen?«
»Ich werde Bloyd Everich Jackson einen Besuch abstatten«, sagte ich grimmig.
***
»Wo ist ihr Zimmer?«, fragte Bill Morich, als er atemlos auf der Türschwelle stand.
Ruth Rutherford zeigte mit ausgestrecktem Arm auf eine Tür, die halb offen stand. Bill durchquerte den kleinen Flur mit einem einzigen Schritt. Seine breite Gestalt füllte den Türrahmen aus, als er stehen blieb, um nach dem Lichtschalter zu tasten.
Das Bett war unberührt. Ein geblümtes Sommerkleid lag über einem Stuhl. Bill drehte sich um.
»Was hat sie getragen, als sie heute früh ging?«, fragte er.
Ruth runzelte die Stirn.
»Getragen?«, wiederholte sie. Ihr Gesicht war von einer durchsichtigen Blässe. »Ich verstehe nicht, was du meinst…«
»Ihre Kleidung. Was hat sie angehabt, als sie das Haus verließ! Erinnerst du dich nicht?«
»Ach so«, murmelte Ruth müde. »Doch, den blauen Faltenrock und die ärmellose Bluse.«
»Sieh nach, ob sie hier gewesen sein kann. Ich meine, ob sie sich im Laufe des Tag,es umgezogen hat. Du musst doch ihre Kleider kennen.«
»Selbstverständlich. Ein Teil davon stammt ja von mir, ein bisschen geändert, weißt du? Ich habe mal einen Nähkurs mitgemacht.«
Sie zog den Kleiderschrank auf und sah nach. Es dauerte länger, als Bill erwartet hatte. Aber schließlich drehte sie sich mutlos um und schüttelte den Kopf.
»Sie hat sich nicht umgezogen. Der Faltenrock und die ärmellose Bluse fehlen.«
»Sie muss doch Schulbücher gehabt haben, als sie ging?«
»Ja, natürlich.«
»Sind die Bücher da?«
»Mein Gott«, seufzte das Mädchen. »Dass ich daran noch nicht gedacht habe!«
Sie zwängte sich an Morich, der noch immer in der Tür stand, vorbei und lief durch den Flur. Bill folgte ihr.
Ruth eilte in die gemütliche Wohnküche. Einen Schritt hinter der Tür blieb Ruth stehen.
»Nein. Die Bücher sind nicht da. Sie legt sie abends immer auf den Küchentisch, damit sie beim Frühstück noch einmal die Nase hineinstecken kann.«
»Demnach spricht alles dafür, dass sie tatsächlich noch nicht von der Schule nach Hause gekommen ist«, murmelte Morich nachdenklich. »Wie ist es mit Freundinnen? Schläft sie manchmal bei einer?«
»Das ist bisher höchstens drei- oder viermal vorgekommen.«
»Bei welchen Anlässen?«
»Wenn die entsprechende Freundin Geburtstag hatte und eine Party gab.«
»Hat deine Schwester dich jedes Mal verständigt? Wusstest du vorher, dass sie nicht nach Hause kommen würde?«
»Aber ja, sie kam nach der Schule hier vorbei und legte mir einen Zettel auf den Tisch. Außerdem rief sie auch noch jedes Mal gegen zehn an, weil sie weiß, dass ich spätestens um halb elf schlafen gehe. Aber…«
Das Mädchen legte erschrocken die Hand an den Mund.
»Ich weiß«, nickte Morich düster. »Selbst wenn sie angerufen hätte - du warst heute Abend nicht zu Hause.«
Das Mädchen nickte. Bill sah, dass sie mit den Tränen kämpfte. Er ging zu ihr und legte ihr den Arm auf die Schulter.
»Es wird sich alles ganz harmlos aufklären, Liebling«, redete er ihr zu. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«
»Bill, es ist gleich halb drei! Es muss etwas passiert sein. Aber was, Bill? Was? Wenn sie einen Unfall gehabt hätte - in ihren Büchern stehen Name und Adresse. Man hätte mir doch sicher einen Zettel unter die Tür geschoben.«
Bill Morich griff nach den Zigaretten.
»Hör zu, Ruth«, sagte er langsam. »Ich finde, du solltest dich endlich mit einem gewissen Gedanken vertraut machen.«
»Mit einem…« Sie sah ihn völlig verständnislos an.
»Ruth, deine Schwester ist sechzehn, sie wird bald siebzehn. Und sie ist ein hübsches Mädchen. Sie besucht eine Schule, auf der es ein paar Hundert junge Männer gibt. Als ich siebzehn war, ist es auch schon mal vorgekommen, dass ich sehr spät nach Hause kam. Ich behaupte nicht, dass das richtig ist oder dass du ihr deshalb morgen nicht den Kopf zurechtrücken sollst, ich möchte nur, dass du dich allmählich damit vertraut machst. Es ist durchaus möglich, dass dein Schwesterchen die Nacht
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