0328 - Wir legten einen Köder aus
»Ich wollte, ich könnte immer bei dir sein.«
»Über dieses Thema werden wir uns sehr bald unterhalten.«
Er hörte, wie sie vor Überraschung schluckte. Eine ganze Weile blieb es still.
Danach klang ihre Stimme heiserer als sonst.
»Warum werden wir uns darüber unterhalten?«
»Weil ich verliebt in dich bin. Weil ich - ach, was! Du wirst es bald erfahren, Liebling, bald!«
»Wie bald?«
»So fragt man kleine Kinder aus. Bald ist bald. Warte es ab. Was macht dein Schwips?«
»Er hat sich noch nicht verflüchtigt.«
»Grüß ihn von mir. Und was macht dein behütetes Schwesterchen?«
»Sie wird schlafen, falls dein Anruf sie nicht geweckt hat. Ich habe nicht nach ihr gesehen, weil ich sie nicht stören wollte.«
»Das war vernünftig. Wenn man sich schon die halben Nächte herumtreibt, sollte man nicht auch noch andere Menschen im Schlaf stören.«
»Ja, Liebling. Du hast ausnahmsweise einmal recht.«
»Ich habe immer recht. Übrigens fällt mir ein, dass dein Schwesterchen bald Geburtstag hat. Gib mir einen Tipp, was ich ihr schenken kann.«
»Das musst du dir selbst einfallen lassen. Frauen lieben die Überraschung.«
»Wieso Überraschung? Ist es dein Geburtstag?«
»Nein, aber ich will auch überrascht werden. Wenn du dir nichts einfallen lässt, wird meine Schwester dich nicht in unserer Familie akzeptieren können.«
»Hauptsache, du akzeptierst mich.«
»Aber ja, Liebling, sogar, wenn ich nüchtern bin. Ach, du lieber Himmel!«
»Was ist denn jetzt los?«
»Ich hatte Ethel versprochen, ihr das neue Lehrbuch für Mathematik mitzubringen. Ich hab’s vergessen! Es ist deine Schuld! Man überfällt ein Mädchen nicht so aus heiterem Himmel mit einer Einladung…«
Ihre Stimme war wieder hell und perlend. Er hörte mit geschlossenen Augen auf diese silberhelle Stimme, die er so liebte.
Erst als er merkte, dass sie immer öfter ein Gähnen unterdrücken musste, lenkte er zum Ende ihres nächtlichen Gesprächs hin.
Als er dann den Hörer aufgelegt hatte, blieb er noch ein oder zwei Minuten ausgestreckt auf dem Bett liegen, bis er spürte, dass die Müdigkeit ihn zu übermannen drohte.
Dann sprang er rasch auf und fing an, sich auszukleiden. Als er die Hose über die Stuhllehne hängen wollte, schrillte das Telefon.
Er erschrak, starrte auf den Apparat und stürzte hin, als die Klingel zum zweiten Mal ertönte.
»Liebling, bitte, komm sofort zu mir«, sagte Ruth. »Ethel ist seit heute Nachmittag nicht zu Hause gewesen. Irgendwas muss passiert sein. Oh, Bill, ich bin… ich weiß nicht, was ich tun soll…« .
»In zehn Minuten bin ich da«, sagte er und war wieder hellwach.
***
»Nun, Jerry?«, fragte Mr. High, als wir niedergeschlagen in sein Arbeitszimmer traten. »Wie steht es?«
»Schlecht, Chef«, meinte ich. »Wir haben sie - bis auf Jackson, bis auf den Kopf der Bande, bis auf den gefährlichsten der vier Burschen.«
»Wie ist das möglich?«
»Keine Ahnung, Chef. Nach Menschenermessen kann er durch unseren doppelten Sperrring nicht hindurchgekommen sein. Andererseits gibt es auf der ganzen Baustelle keinen Winkel mehr, den wir nicht dreimal abgesucht hätten. Eine Ratte könnte sich dort nicht versteckt haben, ohne dass wir sie gefunden hätten. Trotzdem ist Jackson nicht zu finden. Ich bin mir noch nicht darüber im Klaren, ob er als Einzelgänger gefährlich ist. Was meinen Sie?«
»Schwer zu sagen, Jerry.«
»Es gibt nur eine vernünftige Erklärung«, seufzte Phil, während er sich in den nächsten Sessel fallen ließ und die Beine weit von sich streckte. »Jackson war nicht auf der Baustelle, als wir ankamen.«
»Aber warum nicht?«, forschte Mr. High.
»Ja, warum nicht?«, wiederholte ich.
Ich starrte einen Augenblick meinen Hut an. Der Gedanke, der mir durch den Kopf schoss, war verrückt - aber,' hatten wir nicht schon genug erlebt, was verrückt gewesen war?
»Es gibt eine Erklärung«, sagte ich gedehnt, »und je länger ich darüber nachdenke, desto weniger verrückt kommt sie mir vor.«
»Sprechen Sie, Jerry!«, forderte mich Mr. High äuf.
»Die ganze Geschichte kann zwischen den beiden Jacksons abgekartet sein, Chef. Vielleicht wollte Thomas Jackson seine Komplizen loswerden. Vielleicht hat er das Ganze mit seinem Bruder ausgeheckt und reibt sich jetzt die Hände, weil alles so schön nach Wunsch gegangen ist.«
»Was sagen denn die anderen drei?«
»Bis jetzt haben sie den Mund noch nicht auf gemacht. Irgendwann werden sie reden, aber es fragt sich,
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