033 - Das vertauschte Gehirn
wollte raus, koste es, was es wollte.
Und dann stand ich plötzlich vor Elisabeths Haus.
„Hallo, John Morgan“, hörte ich mich leise sagen, als ich an meiner eigenen körperlichen Hülle vorbeigehe. „Ich glaube, es gibt einiges zu bereden.“
Er nickt, schließt die Tür hinter mir. Ich gehe voran ins Wohnzimmer, wo mir Elisabeth mit schreckgeweiteten Augen entgegensieht. Ihr Gesicht verliert von einer Sekunde zur anderen alle Farbe. Bleich und fassungslos sitzt sie da, starrt mich einfach an. Ich gehe zum Plattenspieler, schalte ihn aus. Die Ruhe tut mir gut, denn meine einstige Lieblingsmusik hasse ich heute. Ich erinnere mich flüchtig daran, wie ich ihr die Platte schenkte, weil sie mich im Lift auf die hübsche Musik angesprochen hatte, die sie zuweilen durch die Wand gehört hatte. Aber das ist schon lange her. Eine Ewigkeit fast.
„Mike!“ stammelt Elisabeth jetzt mit erstickter Stimme. „Mein Gott, Mike! Bist du ausgebrochen?“
Sie ist hübsch. Sie hat sich kaum verändert. Nur ihr blondes Haar ist gewachsen. Es reicht jetzt hinab bis unter die schmalen Schulterblätter. Ich nicke ihr zu, lasse mich erschöpft in einen Sessel fallen. John Morgan steht vor mir. Dürr, blaß und mit dem spitzgesichtigen Vogelkopf. Ich kann es kaum fassen, aber ich stehe vor mir und sehe mich an.
„Wer bist du?“ frage ich leise.
Mein Gegenüber sieht mich lange Zeit schweigend an, und plötzlich fällt mir ein, daß Elisabeth ja als Zeugin in meinem Prozeß aufgetreten ist. Sie weiß, daß ich zum Tod verurteilt wurde, weil ich angeblich John Morgan getötet haben soll. Und nun ist dieser Morgan in ihrer Wohnung. Sie muß Bescheid wissen.
Ein flüchtiges Lächeln fliegt über das Gesicht, das früher einmal mir gehörte, dann sagt der Mann: „Ich bin der Zwillingsbruder von John Morgan. Ich kam her, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Da habe ich Elisabeth kennengelernt.“
So ist das also. Er hat ihr dieses Märchen aufgetischt, um seine Ähnlichkeit mit dem Toten zu erklären. Jetzt kann er für die Welt wieder weiterleben. Aber ich habe und hatte nie einen Zwillingsbruder. Der Mann trägt meinen Körper spazieren. Aber warum?
Etwas später geht Elisabeth in die Küche, um Kaffee zu kochen.
„Wer bist du wirklich?“ frage ich gedämpft, damit Elisabeth mich nicht hören kann. „Hat der Doc dich zusammengeflickt?“
Der Mann nickt und lehnt sich bequem zurück.
„Kannst du dir nicht denken, wer in deinem alten Schädel lebt?“
Ich blicke ihn an, wie er dasitzt und so hämisch lächelt, wie ich es nie fertiggebracht hätte. Doch, ich weiß jetzt, wer in ihm steckt. Der Doc hat nur unsere Körper vertauscht.
„Mike Holbers!“ stoße ich hervor. „Aber wie kommst du in meinen Körper?“
„Der Doc hat ihn sich wieder besorgt, nachdem er von der Polizei freigegeben wurde. Er hat Großes mit mir vor, Jo. Ich bin bereits der Dritte, der in einer falschen Hülle für den Doc arbeitet. Und du wirst dies auch tun. Darum hat er dich gerufen.“
„Mich gerufen?“ Ich springe auf. „Was heißt das? Ich bin allein aus dem Zuchthaus gekommen. Ohne fremde Hilfe. Kein Mensch hat mich gerufen.“
„Und du glaubst im Ernst, daß deine neu erworbene Fähigkeit nur von dir ausgeht? Mein Gott, wann wirst du endlich begreifen, das dem Doc Möglichkeiten zur Verfügung stehen, die man nicht einmal erahnen kann.“
John Morgans Körper erhebt sich aus dem Sessel und lächelt Elisabeth an. „Wir werden jetzt fortgehen“, sagte meine frühere Stimme ruhig. „Mike hat zwar meinen Bruder getötet, aber er hat es nicht verdient, gehetzt zu werden. Ich glaube, er hat genug gelitten. Ich werde ihn in ein sicheres Versteck bringen.“
Elisabeths Blick hängt an seinen Lippen.
„Ja“, flüsterte sie und sieht dann scheu zu mir herüber. „Du wirst schon das Richtige tun, Liebling.“
Ihre Worte schneiden tief in mein Herz, treffen meine Seele. Ich weiß jetzt, daß ich sie immer noch liebe. Der Doc hat etwas vor mit ihr, sonst hätte er den Körper von John Morgan nicht zu ihr geschickt. Vielleicht will er sie zu seinem willenlosen Werkzeug machen, aber das werde ich zu verhindern wissen. Ja, ich helfe ihr. Auch dann, wenn sie sich weigert, meine Hilfe anzunehmen.
Ich erhebe mich ebenfalls, lächle ihr zu. Am liebsten würde ich ihr schon jetzt sagen, das ich in Mikes Körper und dieser in meinem lebt. Aber sie würde es mir nicht glauben. Ebenso wenig wie die Richter mir geglaubt hatten, die Reporter
Weitere Kostenlose Bücher