033 - Die Herberge der 1000 Schrecken
blanken Fels geschoben
hatte, wuchsen hohe Gräser, hier und da auch ein Strauch mit schillernden
gelben oder blauen Blüten.
Ein tosender Donnerschlag kündigte jetzt endgültig das Gewitter
an, das sich mit Gewalt über den Berg heranschob.
Ein greller Blitz spaltete den nächtlichen Himmel. Die Berge
reflektierten den Schein, und der Felsbrocken, der etwa zehn Meter vor ihm
schräg über ihm hing, warf einen riesigen, bizarren Schatten über den einsamen,
stillen Pfad.
Larry bewunderte den Mut der jungen Amerikanerin. Aber das paßte
zu ihr. Genauso hatte er sie eingeschätzt.
Die Regentropfen fielen jetzt in kürzeren Abständen.
Einmal, als ein Blitz den Himmel aufriß und den Berg in gleißendes
Licht tauchte, hatte er das Gefühl, als wäre keine hundert Meter vor ihm eine
helle Gestalt hinter einem Felsbrocken verschwunden.
Janett Roumer?
Es wäre zu gefährlich gewesen, sie zu rufen. Er hätte sie nur
erschreckt und in Panik versetzt. Sie wußte nicht von ihm.
Die Hauptsache war in diesen Sekunden, daß er in ihrer Nähe war.
Ein Wind kam auf. Der Berg erwachte zu gespenstischem Leben. Die
Gräser auf den Erdinseln raschelten, Staubund Sandkörner wurden aufgeweht und
rieben sich an dem blanken Felsgestein.
Auch Larry beeilte sich so gut es ging, um dem Unwetter aus dem
Weg zu gehen. Bis zur Herberge war es nicht mehr weit, wenn man der Aufschrift
auf dem letzten Hinweisschild vertrauen konnte.
Der Weg wurde manchmal so eng, daß höchstens zwei Personen hätten
nebeneinander gehen können.
Der Wind entfachte sich zum Sturm. Der Staub wurde so heftig
aufgewirbelt, daß Larry sich abwenden mußte. Er kämpfte förmlich gegen die
Macht des Sturmes an, der eine unsichtbare Mauer vor ihm aufbaute.
Das Gesicht von X-RAY-3 zeigte die Anstrengung, die er sich
abverlangen mußte, um weiterzukommen.
Der PSA-Agent machte sich Sorgen um das Mädchen.
Bei diesem Sturm kam sie unmöglich weiter. Warum kehrte sie nicht
um? Hatte sie irgendwo Unterschlupf gefunden? Hinter einem überhängenden
Felsplateau vielleicht, in einer Höhle?
Es gab hier genügend Unterstellmöglichkeiten. Einmal war ihm sogar
der große, schwarze Eingang zu einem stillgelegten Bergwerksstollen aufgefallen.
Das lag erst wenige Meter zurück. Larry wußte, daß es hier in der Sierra Morena
zahlreiche Bergwerksstollen gab. Dieses Gebirge war Hauptlieferant für die
Schmelzhütten am Rande der Stadt. Erze und Silber wurden immer noch gefördert,
wenn auch nicht mehr in dem Umfang, wie noch vor einigen Jahrzehnten.
Larry schmeckte die Sandkörner in seinem Mund. Seine Augen
brannten.
Im Getöse des pfeifenden Windes, der durch die Felsritzen fuhr,
Staub und Steine in Bewegung setzte und trockene Zweige emporwirbelte, im
Grollen des Donners, der das Gebirge zu erschüttern schien, glaubte er den
unterdrückten, entsetzten Aufschrei zu hören.
Keine zehn Schritte von ihm entfernt!
X-RAY-3 warf sich regelrecht nach vorn. Er stemmte sich gegen den
Wind. Hinter dem Staubvorhang sah er einen riesigen Felsblock, der halbrechts
stand und eine Teil des Weges einnahm.
Links von dem Koloß entfernt zeichnete sich eine schwarze, fast
rechteckige Öffnung in den Berg ab. Ein weiterer Stollen.
Sein Blick fiel auf etwas Helles, Leuchtendes. Es lag neben einem
spitzen, aus dem Boden ragenden Stein auf dem Boden.
Ein Sling-Pumps. Mit hohem, spitzem Absatz. Hellblau. Passend zu
dem Kleid, das sie getragen hatte. Ein Schuh von Janett Roumer!
Er wollte sich bücken, ihn aufheben. Doch er kam nicht mehr dazu,
die Bewegung auszuführen.
Da war etwas, was lauter war als der Regen,- der mit einem Mal
schlagartig vom Himmel herabstürzte, lauter als der pfeifende Wind, der durch
die Ritzen und Spalten fuhr, lauter als der Donnerschlag, der - vom Echo
verstärkt und zurückgeworfen - sein Trommelfell zu zerreißen schien.
Da war ein Schrei, so gräßlich, so entsetzlich, daß sich ihm die
Haare sträubten.
Er hallte durch den Stollen, zerriß die tobende Nacht und ließ ihn
erbleichen. Sein Reaktionsvermögen, in tausend Gefahren und ebenso vielen
Trainingsstunden geschärft, war vorbildlich.
Larry Brent wirbelte herum. Blitzschnell riß er die Smith and
Wesson Laser aus der Schulterhalfter, während die andere Hand schon die kleine
Taschenlampe aktivierte.
Der helle Lichtstrahl stach in das Dunkel des Stollens, der breit
genug war für einen Pkw.
Die Abstützbalken an den Seiten und der Decke waren morsch und
faulig, und Schimmelpilz wuchs
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