033 - Die Herberge der 1000 Schrecken
darauf.
Von hier war der Schrei gekommen, und der Schuh, den er gefunden
hatte, wies auch darauf hin, daß Janett Roumer hier Schutz vor dem Unwetter
gesucht hatte und dabei durch irgendeine dumme Bewegung ihren Schuh verlor.
Oder hatte man sie mit Gewalt in den Stolleneingang gezerrt?
Der Stollen verbreiterte sich und teilte sich in mehrere Gänge,
die sich wie ein Labyrinth ausdehnten. Larry schluckte. »Janett?« rief er, es
war fast nur ein Flüstern, das widerhallend alle Gänge und Seitenstollen
durchlief.
Plötzlich packte ihn ein Schauer. Die Nische rechts neben ihm. Sie
lebte!
Brent sah, nein, fühlte mehr die Bewegung, die sich dort
abspielte.
Ein Keuchen, Atmen, ein schwerer Körper fiel zu Boden, dumpf,
schmerzhaft...
Der Lichtstrahl der Taschenlampe stach in die Nische und brachte
Larry zum Bewußtsein, daß dies ein schmaler Seitenstollen war, der schräg vom
Hauptgang abzweigte.
Da schlossen sich spitze, verkrampfte Finger um sein Fußgelenk,
die aus einem breiten, bizarren Loch in der Felswand herausragten.
Der Lichtkegel stach in das bleiche, entstellte Gesicht von Janett
Roumer. Mit aufgerissenen, großen Augen starrte sie in das grelle Licht. Die
Pupillen reagierten nicht mehr auf den starken Lichteinfall.
Der Griff der zuckenden Finger war die letzte Reflexbehandlung der
Sterbenden gewesen.
Auf den ersten Blick sah der Amerikaner, daß ihr niemand mehr
helfen konnte. Man hatte sie erwürgt. Auf die gemeinste Art, mit einem starken
Seil, das noch immer um ihren schlanken, weißen Hals lag. Ihr Gesicht war
verschrammt, blutig, die Hände zerkratzt und zerschunden. Sie hatte sich gewehrt
bis zum letzten Augenblick. Doch die Kräfte ihres Widersachers waren den ihren
überlegen gewesen.
Larry Brent löste den Griff der noch warmen Hände und drückte der
Toten die Augen
zu.
Er hörte die Schritte, die sich entfernten. Der Mörder durfte
nicht entkommen!
»Stehenbleiben!« brüllte X-RAY-3, als er die Bewegung im Finstern
vor sich, außerhalb des Bereichs seiner Lampe, gerade eben wahrzunehmen
glaubte. »Ich schieße!«
Brent schoß. Zwei nadelfeine Strahlen bohrten sich grell durch das
Dunkel, spalteten den Staub und die Finsternis, trafen zischend die blanke
Felswand und borten sich in das Gestein, wie ein Schneidbrenner in eine
Metallstange.
Larry verhielt in der Bewegung, schaltete sofort die Lampe aus und
lauschte.
Stille! Eine unheimliche Stille! Er horchte in das Dunkel!
Und da war es plötzlich hinter ihm. Er wußte nicht, wieso das der
Fall war, und er begriff auch die Vorgänge nicht mehr, so schnell kam alles auf
ihn zu.
Er hörte eine Detonation, als hätte der Blitz direkt neben ihm
eingeschlagen. Der Boden unter seinen Füßen hob sich. Die Wand rechts vor ihm
geriet in Bewegung. Riesige Gesteinsbrocken lösten sich, eine Staubwolke hüllte
ihn ein und raubte ihm den Atem.
Instinktiv schlug er die Hände über dem Kopf zusammen, hechtete
auf die Seite, als der Luftdruck ihn packte und wie ein welkes Blatt in das
Dunkel schleuderte.
Er krachte gegen die Wand und vermochte kaum noch zu atmen. Er
hörte und fühlte die Steine neben sich. Doch er blieb unverletzt - es war wie
ein Wunder.
Sein Herz pochte wie rasend und das Blut hämmerte in seinen
Schläfen, als müsse sein Schädel zerspringen.
Im Schein der Lampe, die ihm verblieben war, erkannte er, daß es
gar nicht so genau darauf angekommen war, ihn durch die herumfliegenden
Gesteine zu treffen und auszuschalten.
Es gab für ihn kein Vor und Zurück mehr. Er saß in der Falle. Der
Ausgang war ihm versperrt!
Nicht schnell würde er sterben - sondern langsam. Er würde elend
zugrunde gehen wie eine Ratte in einem Loch.
Der Erstickungstod war ihm gewiß...
Dem ersten Schock und dem ersten Entsetzen, dem unbewußten Trieb,
zu überleben, folgte jetzt das logische Nachdenken.
Doch so sehr er auch nach einem Ausweg suchte: es gab keinen. Er
saß in der Falle.
●
Es vergingen zehn Minuten, eine Viertelstunde. Larry atmete
schwer, die Gedanken, die seinen Schädel erfüllten, drehten sich wie ein
Karussell ständig im Kreise.
Plötzlich wurde ihm bewußt, daß die Luft in dem Stollenende, in
dem er hockte, nicht schlechter geworden war.
Für dieses Phänomen mußte es eine Erklärung geben.
Der Lichtstrahl wanderte zentimeterweise weiter, über die beiden
Wände, über die beschädigte Decke, die den Eindruck machte, als wolle sie ihm
jeden Augenblick auf den Kopf stürzen. Zwei Abstützbalken waren
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