033 - In den Krallen der Tigerfrauen
Zeugen erst später wieder eines Details, das sie vorübergehend vergaßen.
Ich schrieb die Anschriften auf und versprach, mit meiner Arbeit sofort zu beginnen.
»Ich nehme an, Sie möchten laufend über den Stand der Ermittlungen informiert werden, Major«, sagte ich.
»Ich schlage vor, Sie wenden sich an mich, sobald Sie etwas herausgefunden haben, Tony«, sagte Tucker Peckinpah. »Und ich gebe es dann unverzüglich an Major Hathaway weiter.«
»Einverstanden.«
Der Leiter des MI 5 erhob sich. »Ich wünsche Ihnen viel Glück, Mr. Ballard, und uns allen einen raschen Erfolg.«
»Kann ich auch Rob Andrews' Adresse haben?« fragte ich.
»Es gibt zwei«, erwiderte Charlton Hathaway. »Er besitzt ein Haus und ein Apartment. Das Apartment dient ihm als… Absteige. Rob Andrews war… ist ein großer Schürzenjäger. Er fuhr häufig mit der U-Bahn, sprach Mädchen an und lud sie in sein Apartment ein.«
»Und die Mädchen gingen mit?« fragte Vicky erstaunt.
»Andrews steht gut aus, ist wortgewandt, hat ein selbstsicheres Auftreten, ist nicht geizig. Das imponiert den Frauen«, sagte Major Hathaway.
»Aber eine U-Bahn-Bekanntschaft, die noch am selben Abend im Bett landet… Ich weiß nicht, ob so etwas richtig ist«, sagte Vicky. »Vielleicht ist meine Moral veraltet. Jedenfalls wäre für mich so etwas nie in Frage gekommen.«
»Jeder versucht nach seiner Fasson glücklich zu werden«, bemerkte Hathaway.
»Könnte es nicht sein, daß Rob Andrews diesmal an ein Mädchen geriet, das ihn zu sich abschleppte?« überlegte Vicky.
»Und der Schrei? Und das Raubtiergebrüll?« fragte Charlton Hathaway. »Haben Sie auch dafür eine Erklärung?«
»Leider nein«, sagte Vicky Bonney kleinlaut.
»Ich werde herausfinden, was dem Mann zugestoßen ist«, versicherte ich dem Leiter des MI 5. Ein Versprechen, von dem ich noch nicht wußte, wie ich es halten sollte.
»Ach ja, die beiden Adressen wollten Sie ja noch haben«, sagte Charlton Hathaway und gab sie mir.
»Falls Rob Andrews wider Erwarten ganz von selbst wiederauftauchen sollte, geben Sie mir Bescheid«, sagte ich.
»Natürlich, Mr. Ballard. Ich weiß, daß Ihre Zeit kostbar ist. Wir werden sie nicht vergeuden.«
Tucker Peckinpah erhob sich ebenfalls. Vicky und ich standen auch auf. Der Industrielle und der Leiter des MI 5 verabschiedeten sich. Draußen wandte sich Charlton Hathaway noch einmal um. Er versicherte mir, daß ich freie Hand in diesem Fall hätte, daß er mir jederzeit den Rücken decken würde und daß ich mit jeder Unterstützung seiner Abteilung rechnen könne.
Ich lächelte. »Das sind Arbeitsbedingungen, die mir gefallen.«
Die beiden Männer stiegen in Peckinpahs Rolls-Royce. Augenblicke später rollte die silbermetallicfarbene Kutsche davon und ich kehrte ins Haus zurück.
»Hathaway hat den Ring vergessen«, sagte Vicky, als ich ins Wohnzimmer trat.
»Das gute Stück ist bei uns bestens aufgehoben«, erwiderte ich und nahm mir einen Pernod, aber nur einen kleinen, bloß, um den Mund auszuspülen, denn ich hatte eigenartigerweise einen schalen Geschmack auf der Zunge.
»Was wirst du als erstes tun?« wollte Vicky wissen.
»Ich denke, ich werde zunächst mal eine Fahrt mit der U-Bahn machen«, sagte ich und verließ den Living-room, um meinen Colt Diamondback zu holen.
***
Nach der Ohnmacht stellten sich Fieber und Schüttelfrost ein.
Rob Andrews phantasierte und hatte fortwährend Wahnvorstellungen. Seine Stirn war heiß und schweißbedeckt, im Kopf befand sich ein Druck, der ihn beinahe zum Zerspringen brachte.
Wachträume wechselten mit neuerlichen Blackouts ab. Es dauerte die ganze Nacht und weit in den Vormittag hinein, bis sich Andrews' Zustand einigermaßen stabilisierte.
Endlich konnte er wieder halbwegs klar denken — und sehen.
Er befand sich in einem alten, aus Ziegeln gemauerten, feuchten Gewölbe. Irgendwo tropfte unaufhörlich Wasser in eine Pfütze.
Vor Andrews türmte sich ein Schuttberg auf. Er stellte verwundert fest, daß er nicht auf dem Boden lag, sondern an einer Wand stand. Dämmriges Licht kam von irgendwo her.
Rob Andrews wollte sich von der Wand lösen, doch das gelang ihm nicht. Etwas hielt seine Arme fest. Sie waren hochgestreckt. Er hob den Kopf und blickte nach oben.
Unsichtbare Fesseln waren um seine Unterarme geschlungen.
Er spürte, wie sie in sein Fleisch schnitten, bäumte sich auf, schaffte es jedoch nicht, sich davon zu befreien.
Sein Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen, als ihm
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