0330 - Die lebende Legende
war.
Die Speisen interessierten den Chinesen nicht. Er wollte nur mit Chu Weng reden.
Gemächlich schlenderte er an Bord. Das große Kabinendeck war umgebaut worden und beherbergte jetzt das Restaurant. Ein roter Pappdrache begrüßte die Gäste. Die Figur hatte ihr Maul weit aufgerissen und spie gelbes Feuer, das auch aus Pappe bestand.
War es auf dem Pier ziemlich warm gewesen, so empfing Suko eine angenehme Kühle innerhalb des Restaurants. Die zahlreichen dunklen Tische waren so aufgebaut worden, daß sie nur mehr nahe der Fenster standen, die sowohl backbord als auch steuerbord lagen.
Der Inspektor suchte sich einen Platz auf der Backbordseite aus. Es herrschte noch nicht viel Betrieb. Außer ihm saßen noch vier Gäste in dem großen Restaurant.
Suko schaute auf die Speisekarte. Er wollte etwas trinken und vielleicht eine Kleinigkeit zu sich nehmen.
Lautlos kam der Ober, blieb neben dem Tisch stehen und lächelte höflich.
»Ich hätte gern ein Mineralwasser.«
»Sehr wohl. Auch etwas zu essen?«
»Da überlege ich noch.«
»Natürlich, gern.« Der Ober verzog sich wieder. Suko wollte ihn nach Chu Weng fragen, wenn er zurückkam.
Das dauerte nicht lange. Bevor der Ober seine Frage nach dem Essen wiederholen konnte, hatte Suko bereits seine gestellt. »Kann ich vielleicht Chu Weng sprechen?«
Der Mann neben Suko erschrak so heftig, als hätte der Chinese etwas Verbotenes gesagt. »Chu Weng?« flüsterte er. »Das ist unmöglich. Der große weise Mann ist…«
»Auf dem Schiff«, vollendete Suko.
»Das stimmt, aber…«
»Tu mir einen Gefallen und sage ihm, daß Suko angekommen ist. Der Mann aus London, der den schwarzen Drachen besiegt hat. Dann weiß er schon Bescheid.«
Der Ober zog sich zurück. Dabei nickte er ein paarmal. Auf sein Gesicht stahl sich so etwas wie Ehrfurcht. Anscheinend hatte der Name des schwarzen Drachen eine gewisse Assoziation in ihm ausgelöst.
Suko lächelte still vor sich hin und trank sein Wasser in langsamen Schlucken.
Es dauerte nicht lange, da kam der Ober zurück. Diesmal war er aufgeregt, es mußte etwas passiert sein. »Chu Weng läßt dich grü ßen, Suko, und ist bereit, dich zu empfangen.«
»Na, das wußte ich doch.« Der Inspektor lächelte und stand auf.
Kaum hatte er die ersten Schritte zurückgelegt, als sich zwei Männer in hellen Anzügen aus schattigen Nischen lösten und Suko in die Mitte nahmen.
Sie waren das Begleitkommando für den Inspektor, der die Spielregem kannte und nichts dagegen einzuwenden hatte.
Sie verließen den Restaurantkomplex, gingen an der Küche vorbei und erreichten einen Gang, der vor einer verschlossenen Tür endete.
Hier mußte Suko stehenbleiben und wurde nach Waffen abgesucht.
»Ich trage eine Pistole bei mir«, erklärte er. »Ihr braucht sie mir nicht abzunehmen. Die Peitsche auch nicht. Ich bin gekommen, um mit einem Freund zu sprechen.«
Während Suko dies sagte, hatte er festgestellt, daß sie beobachtet wurden. Unter der Decke hatte er das Auge einer Kamera gesehen.
Wahrscheinlich saß Chu Weng vor einem Monitor und schaute sich alles in Ruhe an. Er ließ auch seine Stimme ertönen. Sie drang aus den Rillen eines Lautsprechers.
»Laßt meinen Freund so zu mir«, vernahm Suko das etwas verzerrte Organ. »Ich vertraue ihm.«
Die beiden Leibwächter verbeugten sich in Richtung Kameraauge.
Dann öffneten sie die Tür.
Dahinter lag eine andere Welt. Vielleicht hatte es früher hier einmal die einzelnen Kabinen gegeben. Jetzt allerdings war davon nichts mehr zu sehen. Sämtliche Zwischenwände waren entfernt worden, so daß Suko einen großen Raum betrat, der mit Seidenteppichen belegt war.
Fenster gab es keine, dafür eine Klimaanlage, die für angenehme Temperaturen sorgte. Die Innenwände zeigten gemalte Szenen aus der chinesischen Mythologie. Das Drachenmotiv kehrte immer wieder.
Modern in diesem Raum war der große Schreibtisch, hinter dem Chu Weng saß. Eine Gegensprechanlage, ein Monitor, ein kleiner Telefoncomputer, das alles paßte nicht in die Welt des alten China und gehörte in die Jetztzeit.
Der Schreibtisch bestand aus dunklem Holz und war für den dahintersitzenden Mann eigentlich zu klein.
Die beiden Leibwächter blieben respektvoll an der Tür stehen, während Suko vorging. Chu Weng schickte seine Männer weg. Sie verschwanden lautlos.
Der Inspektor blieb dicht vor dem Schreibtisch stehen, verbeugte sich und begrüßte Chu Weng in blumigen Worten.
Der alte Chinese stand sogar auf. Er
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