0330 - Die lebende Legende
Keiner von uns hatte ihn ausgestoßen, es war eine Frau gewesen, die mitten in der Halle stand und auf die Rauchwolke deutete, die plötzlich aufwallte.
Rauch im Hotel?
Da hatte jemand eine Rauchbombe geworfen. Ich sah zur Galerie hoch, erkannte, wie ein Arm über den Rand geschoben wurde, um in nächsten Augenblick eine Rauchbombe zu schleudern.
Die zweite prallte fast vor meine Füße, explodierte sofort und entließ die dichten Nebelschwaden. Ich hörte noch das Zischen und war im nächsten Moment eingehüllt.
Ein paar Schritte lief ich zurück. Gleichzeitig vernahm ich eine Sirene, die sogar das Schreien der Menschen übertönte.
Jemand hatte Alarm ausgelöst. Das war auch gut so, denn die beiden Ninja griffen an.
Sie machten uns die Halle zur Hölle!
***
Suko hatte sich von seinen beiden Freunden getrennt, um sich in die Szene zu begeben. Er, der überall auf der Welt verteilt seine »Vettern« sitzen hatte, begab sich in die Nähe des Hafens, denn dort hoffte er, einige Informationen zu bekommen.
Die meisten Vorfahren der Chinesen, die jetzt in Frisco lebten, waren aus Rotchina geflohen. Ihre Söhne und Töchter hatten die alte Heimat nie gesehen, dennoch fühlten sie sich mit ihr verbunden, und es wurden vor allen Dingen die alten Traditionen gepflegt.
Chinesisches Leben, chinesisches Essen, die Verbundenheit der Familien, untereinander, all das trug dazu bei, aus diesem Völkchen eine verschworene Gemeinschaft zu machen.
Suko kannte sehr viele seiner Landsleute. Er wußte, wo sich die großen Sippen niedergelassen hatten, und ihm war auch bekannt, daß sich eine Sippe sehr gut in Frisco etabliert hatte.
Normalerweise betrieben Chinesen Reinigungen. Die Leute, zu denen Suko wollte, hatten sich auf etwas anderes spezialisiert. Sie hatten Restaurants eröffnet. Speziell Fischrestaurants, und das größte von ihnen befand sich auf einem Schiff.
Ein Taxi hatte Suko in den Hafen gebracht. Und hier empfing ihn wieder eine andere Welt.
Menschen aller Nationen und Rassen bevölkerten das Gebiet. Sie gingen durch die schmalen Gassen, bevölkerten die Lokale, hockten an den Anlegestellen der Ausflugsboote oder fuhren mit ihren beladenen Booten durch das Hafenbecken, um die Dinge des täglichen Lebens zu verkaufen.
Die Boote waren hoch mit Nahrungsmitteln beladen. Obst und Gemüse stapelten sich, aber auch kleine Garküchen waren auf den Booten untergebracht. Wer eine schnelle Mahlzeit einnehmen wollte, bekam sie gleich an Ort und Stelle zubereitet.
Es roch nach Wasser, nach Fisch und nach Menschen. Ein regelrechtes Konglomerat von Düften und Gerüchen, an die sich Suko mittlerweile gewöhnt hatte.
Er suchte nur sein Ziel.
Einen Landsmann, der eine Karre hinter sich herzog, hielt er an und fragte nach Chu Weng.
Der andere schaute ihn erstaunt an. »Was willst du von dem großen Chu Weng?«
»Ich komme von weit her und möchte mich bei ihm stärken.«
»So ist das.« Der Mann nickte und erklärte Suko den Weg.
»Hattest du etwas anderes angenommen?« erkundigte sich der Inspektor, nachdem er sich bedankt hatte.
»Ja, denn viele wollen zu Chu Weng, um ihn auszuspionieren. Wir müssen ihn schützen, denn er ist der große alte Mann bei uns. Amerikanische Banden versuchen, die Kontrolle über ihn und seine Geschäfte zu bekommen.«
»Du meinst die Mafia?«
»Das Böse hat viele Namen, mein Freund«, antwortete der Mann.
»Ich wünsche dir einen gesegneten Tag.« Mit diesen Worten verschwand er.
Sieh an, dachte Suko. Auch hier gibt es Schwierigkeiten. Er wollte sich überraschen lassen.
Der Pier, über den er schritt, war breit. Die großen Überseeschiffe legten hier nicht an. Man sah sie nur wie majestätische Bauwerke vorbeifahren.
Fern im Hintergrund grüßte das Gerüst der Golden Gate Bridge.
Dieses Bauwerk war für den Spaziergänger ein ständiger Begleiter.
Suko entdeckte das Boot bereits von weitem. Es war ein alter Raddampfer, und er befand sich in einem Becken, das wie eine runde Zunge in den Pier hineinstach.
Dorthin lenkte Suko seine Schritte. Er ging jetzt schneller, weil er unbedingt mit Chu Weng reden mußte. Dabei war Suko schon froh, daß der alte Chu Weng noch lebte und sich hoffentlich auch noch erinnerte.
Ein breiter Steg verband das Restaurant-Schiff mit dem Pier. Bevor der Steg begann, konnte jeder Gast einen Teil der Speisekarte lesen.
Was es an frischen Gerichten gab, war auf eine Tafel geschrieben worden, die, für jeden gut sichtbar, an einem Fahnenmast befestigt
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