0331 - Ninja, Zombies und Shimada
und langsam tat er dies, ein äußeres Zeichen seines eben gefaßten Entschlusses.
Oziko war gespannt, und auch ich fragte mich, was er vorhatte.
Obwohl Yakup neben mir stand, schien er meilenweit entfernt zu sein.
Der Körper war eine Hülle, ein leeres Gehäuse ohne Leben und Geist.
Dann ließ er sich auf die Knie fallen.
Nichts hatte diese Reaktion zuvor angedeutet. Er fiel aus dem Stand und blieb in der Haltung.
Auch Oziko zeigte sich verwirrt. Der Revolverlauf war der Bewegung gefolgt. Die Mündung zielte auf den Kopf des Knienden.
Wahrscheinlich rechnete der Japaner mit einem Trick.
Aber Yakup dachte nicht daran, eine seiner Waffen zu ziehen. Er bewegte beide Arme in die Höhe und führte die Hände gegeneinander, so daß sich die Finger ineinander verschlingen konnten. Seinen Blick richtete er gegen die Höhlendecke und ließ danach den Kopf langsam sinken, so daß er den Totenbaum anstarren konnte.
In diesem Moment sah er so aus, als würde er den Baum tatsächlich anbeten.
So etwas Ähnliches geschah auch. Yakup Yalcinkaya hielt mit dem Baum der Toten Zwiesprache.
Ich stand sehr nahe bei ihm. Auch über Yakups Gesicht fiel der Widerschein des Feuers. Seine Wangen hatten einen rötlichen Schein angenommen, der auch die Lippen nicht ausließ, denn ich erkannte, wie sie sich bewegten.
Eine stumme Zwiesprache!
Da Yakup seinen Blick nicht änderte und den Baum unverwandt anstarrte, gab es für mich nur eine Lösung. Er hielt Zwiesprache mit den dort aufgebahrten Toten.
Er sagte ihnen etwas…
Und ich wurde wieder an seine seltsamen Worte erinnert.
Hatte er mir nicht geraten, keine Angst zu haben? Trotz der Feinde hatte er sich sicher gefühlt.
Und dafür sorgten die Toten.
Niemand störte ihn. Auch ich hütete mich, eine Frage zu stellen. Selbst unsere Feinde waren auf irgendeine Art und Weise von den Vorgängen fasziniert.
Yakup hielt noch immer die Hände zusammen. Über seine Lippen drang kein Laut. Er sprach und redete dennoch nicht.
Aber er wurde gehört, eine andere Möglichkeit gab es für mich einfach nicht.
Im Baum tat sich etwas.
Jeder vernahm das Knacken.
Es war kein Brechen irgendwelcher Knochen. Ein Knacken, das auf das Splittern von Holz hindeutete.
Einer der Arme hatte plötzlich zuviel Druck bekommen. Da schien die Leiche schwerer geworden zu sein, jedenfalls löste sich der Holzarm und fiel nach unten.
Und mit ihm die Leiche!
Es war ein Toter, der sein Gewand noch anhatte. Eng lag es um seinen Körper und erinnerte mich an einen Kokon, aus dem der Kopf bleich und kugelartig hervorschaute. Dicht unter den Augen war die Haut eingerissen. Ein Knochenstück schaute jeweils wie die abgestumpfte Spitze eines Messers hervor, und die darüberliegenden Augen wirkten wie die eines ausgestopften Tieres.
Oziko erwachte aus der Erstarrung. Als der Tote gefallen war, hatte auch er einen Schritt zur Seite gemacht. Mit einer herrischen Bewegung gab er seinen Schergen den Befehl, den Kreis zu sprengen, damit er hindurchgehen konnte.
Nur zögernd traten die Ninja zur Seite. Einige flüsterten, ich verstand sie nicht. Im Augenblick interessierte mich allem Oziko, der sein Ziel erreicht hatte und auf den Toten schaute.
Er trat ihn.
Der Tote rührte sich nicht, und trotzdem war er aus dem Baum nach unten gefallen.
Das begriff der andere nicht.
Yakup kniete noch immer. Ich kam mir in diesen Augenblicken wie ein Statist in einem Horror-Bühnenstück vor, denn ich konnte unmöglich eingreifen. Das war Yakups Sache. Er hatte in diesem Kloster gelernt. Es war ihm zu einer Heimat geworden, und nun dies.
Oziko kam zu ihm. Zwei wütende Schritte reichten. Dann senkte der Japaner die Waffenmündung noch weiter und drückte das kalte Rund in das warme Fleisch der Wange.
»Was soll das bedeuten?« keuchte er Voller Wut. »Was hast du da getan, verdammter Hund?«
Yakup gab keine Antwort. Er beugte sich nur dem Gebot der Waffe, indem er seinen Kopf in die entsprechende Richtung drängte.
Oziko schaute mich an. Er sah über den Kopf des knienden Yakup hinweg. »Was soll das bedeuten, Sinclair?«
»Ich habe keine Ahnung.«
In den Augen hinter seinen Brillengläsern stand Unglaube.
»Du willst mich hier reinlegen. Ihr beide wollt es. Ihr…«
Yakup unterbrach ihn. Nicht durch Taten, sondern mit Worten, die über seine Lippen flossen. Er flehte, er betete, er hielt Zwiesprache, und er hatte Erfolg.
Oziko trat zurück.
Zwangsläufig löste sich die Waffe. Er schaute wieder zu dem Baum hin,
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