0331 - Urwelt-Horror
interessierte ihn nicht. War denn kein Sender zu finden, der schottische Folklore brachte? Auch unter Zamorras Cassetten fanden sich keine Dudelsackklänge. Entsprechend schlecht wurde die Stimmung des Lords.
Nach einer Viertelstunde sah er ungeduldig auf die Uhr.
Gut, es war ein kurzer Fußmarsch. Aber so, wie er sich die Wirkung der Zeit-Ringe hatte erklären lassen, konnten Nicole und die Befreiten auf die Sekunde genau in die Gegenwart zurückkehren, in der sie verschwunden waren. Sie verloren also keine Zeit. Die Macht der Ringe machte es möglich. Ebenso konnte sie bei einem Vergangenheits-Abenteuer zwischendurch für eine Weile in die Gegenwart zurückkehren, zum Beispiel, um sich besser auszurüsten, und in die gleiche Sekunde der Vergangenheit zurückkehren, in der sie aufgebrochen waren. Sie mußten sich nur hüten, sich selbst zu begegnen und ein Zeitparadoxon hervorzurufen.
Was dann geschah, wußte niemand, und es hatte auch noch niemand den Ehrgeiz entwickelt, es heraufzubeschwören. Es würde im Chaos enden.
Der Lord wartete ab.
Nach einer halben Stunde wurde er unruhig. So lange konnten die beiden Mädchen nicht unterwegs sein! Selbst wenn sie das Tor nicht auf die Schnelle öffnen konnten, mußte sich inzwischen doch etwas abgespielt haben!
Saris verließ den Mercedes, verriegelte ihn sorgfältig und machte sich ebenfalls auf den Weg.
Er fand die beschriebene Stelle. Er sah auch Fußspuren im lockeren Sand an dieser Stelle. Fußspuren, die an einer Stelle abrupt abrissen.
Das war der Beweis, daß die Mädchen es geschafft hatten, an dieser Stelle in die Straße der Götter überzuwechseln.
Aber warum waren sie nicht schon wieder zurück?
Die dumpfe Ahnung keimte in Lord Saris auf, daß hier etwas schiefgegangen war. Es schien, als habe sich das Schicksal endgültig gegen die Zamorra-Crew verschworen…
***
Irgend etwas in Zamorra rastete aus.
Er hörte einen Schrei. Einen Laut, wie er ihn nie zuvor vernommen hatte. Laut, durchdringend – vernichtend. Etwas zersprang. Er hörte Worte einer uralten magischen Sprache, die nur noch wenige Menschen beherrschten, unter anderem er selbst. Das Wasser schäumte, und das Gelb verfärbte sich zu einem schmutzigen Rot. Der Schrei gellte immer noch, raste die Tonleiter hinauf, und gleichzeitig wurden die Zauberworte mächtiger und drängender.
Dann trat Stille ein.
Die Stille des Todes.
Und alles war – vorbei…
***
Er fand sich auf der anderen Uferseite wieder. Wie er an Land gekommen war, wußte er nicht. Die Soldaten standen in ehrfürchtigem Staunen um ihn herum, die Schwerter gesenkt. Sklaven trugen die Sitze um das Seeufer heran, auf denen das Mädchen und ihr Vater saßen.
Zamorra sah verwirrt auf das gelbe Wasser, das sich beruhigt hatte.
Einige zerfetzte kleine Körper schwammen an der Oberfläche. Die Seepferdchen-Piranhas!
Sie waren tot.
Alle.
Vernichtet von einem gewaltigen magischen Kraftstoß, der das Wasser um Zamorra herum zum Kochen gebracht hatte. Eine unglaubliche Energie hatte zugeschlagen. Zamorra fragte sich, wer da zu seinen Gunsten eingegriffen hatte. Er verspürte rasende Kopfschmerzen und fühlte sich schwach, aber war das nach der verzweifelten Schwimm-Anstrengung ein Wunder?
Er sah an sich herunter. Da waren ein paar Kratzer, wo ihn die kleinen Bestien noch angeritzt hatten. Aber er war mit dem Leben davongekommen, das war alles, was zählte. Er sah das Mädchen an.
»Ich habe einen Wunsch frei«, sagte er.
»Es war Betrug im Spiel«, schrie das Mädchen schrill. »Die Abmachungen gelten nicht mehr! Von Magie war nicht die Rede! Wie hast du das gemacht?«
»Was?« fragte Zamorra krächzend. Er war heiser, konnte kaum sprechen.
Alles schmerzte.
»Die Magie! Wie hast du die Fresser getötet?«
»Ich weiß von nichts«, stöhnte er. »Ich habe nichts getan… die Abmachung gilt, der Wunsch…«
Der Ex-General und jetzige Minister und Königsberater runzelte die Stirn. »Dieser Mann ist ein Phänomen«, sagte er. »Ich habe noch nie jemanden erlebt, der solche Kräfte entfesseln konnte. Ich muß wissen, wie das geschah. Ein Priester soll kommen und ihm sein Geheimnis entreißen.«
»Wir sollten ihn töten«, sagte das Mädchen. »Sofort, ehe er noch mehr Schaden anrichten kann. Er ist ein Ungeheuer, ein Dämon!«
Was glaubst du wohl, was du selbst bist? dachte Zamorra bitter.
»Er ist dein Eigentum«, sagte der Minister, »aber vielleicht wäre es doch besser, erst einen Priester zu holen. Danach wird er
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