0332 - Besuch beim Geisterhenker
noch an allmählich verlaufenden Teig erinnerte.
Schlimm…
Der Schein meines Kreuzes zeichnete die Umrisse der gefesselten Gestalt nach. Er hatte dafür gesorgt, daß es dem Gespenst gelungen war, aus dem Zwischenreich zu entkommen, wo es bisher dahinvegetierte, ohne den unheilvollen Fluch brechen zu können.
»Wer bist du?« hauchte ich meine Frage.
»Der Duke of Burlington…«
»Und?«
»Du kennst mich nicht? Du kennst nicht denjenigen, der verflucht ist, auf die Ewigkeit zu warten?«
»Nein, den kenne ich nicht.«
»Was willst du dann hier?«
»Deine Geschichte hören.«
Das Gespenst lachte. »Es ist eine Geschichte, die mit Grauen, Tod und Blut geschrieben wurde. Die Geschichte der Burlingtons, denen dieses Haus einmal vor langer Zeit gehört hat.«
»Bist du deswegen angekettet?«
»Ja, denn ich lehnte mich dagegen auf. Ich wollte nicht, daß wir einen Henker hielten, aber mein Bruder dachte da anders. Der Henker wurde sein bester Freund. Gemeinsam dachten sie sich die schaurigsten Verbrechen aus, während sie mich in den Verliesen schmachten ließen. Dort verbrachte ich die langen Jahre, ohne eine Chance zu bekommen, jemals wieder befreit zu werden. Kannst du dir diese Qual vorstellen, Mann mit dem Kreuz? Kannst du das?«
»Wohl kaum.«
»Du bist ehrlich. Niemand, der dies nicht mitgemacht hat, kann dies. Auch ich starb irgendwann, aber ich verging, ohne die Gnade der Kirche bekommen zu haben. Ich verendete regelrecht in einer vergifteten Atmosphäre. So war ich gezwungen, als Geist umherzuspuken und auf eine lange Wanderschaft zu gehen, ohne die Ewigkeit und damit eine Erlösung zu finden. Ich sah mit an, wie der Henker weiter seine ruchlosen Taten verübte, gedeckt durch meinen Bruder. Doch der Krug geht so Lange zum Wasser, bis er bricht. Auch den Henker erwischte es. Soldaten brachten ihn auf schreckliche Art und Weise um. Meinen Bruder köpften sie, damit war für sie der Fall erledigt. Aber Abbot, der Henker, hatte Schuld auf sich geladen. Auch er fand keine Ruhe und wanderte, ebenso wie ich, durch das unheimliche Zwischenreich, wo wir uns ständig begegneten und feststellten, daß wir Todfeinde waren. Ja, Todfeinde. Wir trafen aufeinander, aber nie kam es zu einer Entscheidung. So waren wir keine Lebenden und keine Toten, sondern verfluchte Geister.«
»Aber Abbot ist zurückgekehrt«, unterbrach ich die Geschichte des Mannes.
»Das stimmt, er kam wieder. Auch wenn es lange dauerte. Es gab einen Mann, der sich sehr für dieses alte Haus interessierte, denn hier existiert noch der furchtbare Galgen und auch das Fallbeil. Zwischen diesen beiden Instrumenten durften die Delinquenten wählen. Es ist so furchtbar, daß ich darüber kaum sprechen kann. Man hätte alles abreißen und wegschaffen sollen, das tat man nicht, die nachfolgenden Menschen wollten den Schauer erleben. Jetzt ist es zu spät. Ein Mann kam, der alles wieder zurückholte. Er verbündete sich mit dem Henker. Die Bluttaten der Vergangenheit werden wieder aufgewühlt. Abbot kann weitertöten.«
Ich schüttelte den Kopf. »Wir sind gekommen, um dies zu verhindern.«
Die Gestalt lachte nur. »Ihr werdet es kaum schaffen. Wenn doch, werde ich euch so unendlich dankbar sein, denn dann habe auch ich meine Ruhe gefunden. Erst wenn der Henker nicht mehr existiert, kann ich eingehen in das Reich, in dem die Toten geborgen sind. In den Schoß der Ewigkeit werde ich hineinfallen.«
»Willst du uns helfen?« fragte ich.
»Wenn ich kann…«
»Sage uns, wo sich der Henker befindet.«
»Genau in der Halle, wo das Gerüst aufgebaut ist. Auch das Fallbeil steht dort. Ihr werdet es sehen.«
»Wie kommt man dahin?«
»Ihr müßt durch die Tür gehen. Aber es gibt noch einen anderen Zugang. Einen von unten, aus den Tiefen des Kellers. Dort führt eine Leiter bis unter das Podest hoch. Da werdet ihr die Klappe finden, durch die die Gehängten mit den Füßen rutschten, wenn sie nicht auf einem Schemel standen. Wenn ihr sie öffnet, seid ihr ebenfalls da…«
Es waren gute Informationen, die uns der Duke gegeben hatte.
»Und was geschieht mit dir?« fragte Suko.
»Ich bin zu schwach. Ich warte, ich werde warten…« Kaum verständlich kamen die Worte. Wir beide sahen, wie sich die Gestalt vor unseren Augen auflöste und nur die Ketten zurückblieben, die, wenn sie sich bewegten, ein leises Klirren ausstießen.
Sie verschwanden vor uns in der Düsternis des Kellers, der sich der Treppe anschloß.
»Einen besseren Führer können wir
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