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0332 - Inferno

0332 - Inferno

Titel: 0332 - Inferno Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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immerhin! »Ich brabbele nicht, sondern mache mir meine Gedanken! Oder ist das verboten, eh?«
    »Das kommt immer darauf an, was das für Gedanken sind, Bürger«, erwiderte der Mann spöttisch lachend. »He, dein Akzent gefällt mir nicht. Wer bist du?«
    »David R. Hays«, sagte Hays trocken.
    Ein Verdacht keimte in ihm auf. Die Kleidung der Leute um ihn herum, die Anrede »Bürger«… »Welches Jahr schreiben wir eigentlich?« erkundigte er sich.
    »Parbleu, du bist wirklich dumm im Kopf, Bürger«, sagte der andere kopfschüttelnd. »Und Engländer dazu, wie mir scheint. Was hast du hier in Paris verloren? Hat dich dein eigener Wind über den Kanal geweht?«
    Hays schluckte die Bemerkung zähneknirschend. »Welches Jahr?« beharrte er.
    »Siebzehndreiundneunzig, Bürger. Macht es -dich glücklicher?«
    »Nein«, zischte Hays wütend. 1793, also doch! Sein Verdacht stimmte. Zu dieser Zeit erreichte die französische Revolution ihren blutigen Höhepunkt. Unter anderem wurde auch Ludwig XVI. in diesem Jahr hingerichtet. Aber im Endeffekt hatte es den Franzosen alles nicht viel genützt, dachte Hays spöttisch. Ein paar Jahre später hatten sie wieder einen Kaiser - Napoleon Bonaparte.
    »Es sollte dich aber glücklich machen, Bürger«, sagte der andere. »Oder bist du etwa gar kein Bürger? Du trägst so seltsame Kleidung, und… he, ein verdammter Adliger, wie? Gibt es euch Gesindel immer noch?«
    Andere wurden aufmerksam. Hays erschrak. Das fehlte ihm gerade noch! »Aus dem Weg«, fauchte er und stieß den Mann mit dem Regenschirm beiseite. Das war ein Fehler. Die anderen griffen jetzt nach ihm. Er begann zu laufen, benutzte Fäuste und Ellenbogen und bahnte sich eine Gasse durch die Menge. Die Menschen waren viel zu überrascht, als er sich vorwärts kämpfte, und erst einige Meter hinter ihm setzte die Verfolgungsbewegung ein. Er sah jetzt die roten Mützen der Jakobiner, und plötzlich sah er das Schafott. Das Blutgerüst, die Guillotine. Die Henkersknechte Robespierres waren am Werk und führten der Volksmenge ihr blutiges Handwerk vor. Und jeder, jeder wollte sehen, wie die Köpfe rollten. Über allem wehte die Trikolore, die dreifarbige Flagge. Und plötzlich waren da zwei, drei Jakobiner, die mit kräftigen Fäusten zupackten und David festhielten. »Hei, wohin so eilig, Bürger? Bist du ein Dieb auf der Flucht?«
    Da waren die Verfolger heran.
    David Hays erschauerte.
    »Sie wollen mich umbringen«, schrie er. »Schützt mich! Dieses Lumpenpack…«
    »Das, was du als Lumpenpack bezeichnest, sind ehrbare Bürger der Republik«, wies ihn der Mann, der ihn festhielt und jetzt durchzuschütteln begann, zurecht. »Während du hier aufgeputzt wie ein… hoppla, wie siehst du denn überhaupt aus?«
    Der Mann, mit dem David sich widerwillig unterhalten hatte, war wieder da. Er wies auf einen Bluterguß hin. »Dieser Frechling«, sagte er und zeigte auf David, »wagte es, mich zu schlagen. Es scheint, daß das Adelsgezücht immer noch dreist ist.«
    »Adelsgezücht?«
    »Schaut euch seine Kleidung an, Bürger. So piekfein und teuer, wenn auch fremdartig!«
    Die Menge ringsum begann zu gröhlen.
    »Loslassen!« zischte David. »Laßt sofort los, oder…«
    »Hört ihr? Er führt sich auf wie ein Adliger! Und er ist gemeingefährlich! Mit diesem stoffumhüllten Stock hat er mich geschlagen.« - »Mich auch! Und mich!« kam das Echo der anderen. »Vielleicht ist es eine Waffe! Darf ein verdammter Adliger denn noch Waffen tragen?«
    »Mitnichten«, sagte einer der Büttel. »Ich denke, bei so viel Zeugenaussagen und nach seinem eigenen Verhalten ist er überführt. Sperrt ihn ein.«
    »Warum erst einsperren und durchfüttern? Auch Wasser und Brot kosten Geld«, heulten einige aus der Menge. »Weg mit ihm! Aufs Schafott!«
    »Ihr seid ja wahnsinnig!« schrie Hays entsetzt.
    »Er muß erst ordentlich verurteilt werden«, rief der Büttel. Das Geschrei der Menge wurde lauter. »Das Volk ist der Richter. Die Bürger sind die Richter! Weg mit diesem Parasiten! Der Adel hat uns lange genug ausgemistet…«
    Die drei Jakobiner sahen sich an. Immer noch hielten sie Hays fest.
    Der konnte förmlich sehen, wie es hinter ihren Stirnen arbeitete. Möglicherweise zählten sie ab, wie viele die anderen waren und wie wenige sie selbst. Schließlich nickte der Wortführer.
    »Ab mit ihm. Ist’s heute eben einer mehr.«
    »Ihr Wahnsinnigen!« schrie Hays und versuchte sich loszureißen. Aber er schaffte es nicht mehr.
    Über ihm

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