0334 - Der Hexenspiegel
Prozedur, und sie schrie.
Der zweite Kontaktspiegel, der zu Zamorras und Nicoles Hotelzimmer, zerbarst dabei in Tausende winziger Splitter. Nadija mußte sich dort völlig zurückziehen.
Fast völlig. Denn nun hatte sie geschafft, eine Brücke zu diesem Zamorra zu öffnen. Und er ahnte nicht einmal etwas davon.
Aber solange das Bannzeichen auf dem Hexenspiegel angebracht war, vermochte sie nur eingeschränkt zu handeln. Sie konnte den Aktivkörper, den Scheinkörper, nicht bilden, konnte nur wieder wie früher ihre Poltergeist-Phänomene wirken lassen oder Menschen beeinflussen, zu denen sie eine Kontaktmöglichkeit hatte. Ansonsten war sie auf den unmittelbaren Einflußbereich des Spiegelsichtfeldes begrenzt.
Sie beeinflußte Abramov dahingehend, daß er die Zeichen löschte.
Aber das half nicht lange. Dieser andere Mann begann sie zu erneuern, und er benutzte die Magie des gesprochenen Wortes, die nicht weniger stark war. Nadija wehrte sich verzweifelt. Und noch ehe der Bannspruch vollendet war, lenkte sie die Deckenlampe. Sie ließ sie schaukeln, zielte auf den verhaßten Gegner, der sie im Spiegel bannen wollte.
Aber die Lampe riß im falschen Moment. Der Pendelausschlag war nicht richtig. Statt Saranow tödlich zu treffen, traf die Lampe Abramovs Kopf.
Er war sofort tot.
Saranow schreckte hoch.
Das letzte Wort der Zauberformel fehlte…
***
»Jetzt reicht es«, sagte Saranow und starrte erschrocken auf die Leiche auf dem Bett. Er ballte die Fäuste. »Wir brechen das Projekt ab. Menschenleben ist diese Untersuchung nicht wert. Wir werden diesen verdammten Spiegel vernichten. Es wird eine Möglichkeit geben.«
»Er ist unzerbrechlich«, sagte Natascha Solenkowa müde.
»Er wird brennen«, versicherte Saranow. »Und schmelzen. Und dann will ich mal sehen, was diese mordende Höllenmacht dann anstellt.«
»Was ist denn hier los? Was soll der Lärm zu später Stunde, Genossen?« fragte jemand hinter ihnen. Der Besitzer des kleinen Hotels selbst war eingetreten. Entsetzt entdeckte er den Toten auf dem Bett.
»Man muß sofort die Polizei benachrichtigen…« murmelte er und wirbelte herum.
»Tun Sie das«, rief Semjonow ihm nach. »Aber es wird nicht viel nützen…«
»Der arme Leonid«, murmelte Natascha. »Er hatte aber auch nur Pech… er muß das Unheil förmlich auf sich gezogen haben.«
»Du hast es doch auch zu spüren bekommen«, erinnerte Saranow.
»Wenn die Polizei hier gewesen ist und ihr Rätselspiel abgezogen hat, werden wir dieses Zimmer räumen. Nur der Spiegel bleibt hier. Ich siedele in ein anderes Zimmer um. Ich bin nicht daran interessiert, hier zu bleiben, wo ein Freund gestorben ist. Morgen, bei Tageslicht, werden wir den Spiegel zerstören.«
Er rechnete damit, daß die magische Kraft im Spiegel dann schwächer sein würde. Es war ein Phänomen, das die Wissenschaft bisher noch nicht hatte erklären können, daß die schwarzmagischen Kräfte bei Dunkelheit am stärksten wirkten. Saranow setzte darauf, daß er am Tage leichteres Spiel haben würde.
Wenig später waren die Beamten der Mordkommission da. Sie untersuchten das gesamte Zimmer. Es war recht unglaubhaft, daß die Deckenlampe sich von selbst gelöst haben sollte, und die Beamten waren und blieben mißtrauisch. Aber sie sahen von einer Verhaftung der mutmaßlichen Mörder erst einmal ab, weil immerhin doch eine ganz schwache Möglichkeit bestand, daß die Lampe sich tatsächlich von selbst gelöst hatte.
Von der Macht im Hexenspiegel sprach niemand. Die Polizisten hätten diese Geschichte wohl auch nicht geglaubt, und selbst Semjonows Autorität als KGB-Offizier hätte nicht davor bewahrt, ausgelacht zu werden.
»Wir werden die Lampenaufhängung morgen von einem Spezialisten untersuchen lassen«, entschied der Einsatzleiter. »Bis dahin wird das Zimmer versiegelt.«
»Kann uns nur recht sein«, sagte Saranow. »Himmel, wären wir doch nie hierher gefahren…«
Der Tote wurde abtransportiert. Alles war auf Fotos festgehalten worden, die noch in derselben Nacht entwickelt wurden. Aber dann staunten die Beamten.
Die Fotos zeigten – nichts.
Die Zelluloidstreifen waren durchgehend schwarz.
***
Zamorra hatte den Teppich zurückgerollt und auf den glatten Boden einen großen Drudenfuß gezeichnet. Ins Zentrum des fünfzackigen Sterns legte er einen der Glassplitter aus dem Spiegel, schloß den Kreis und malte Schutz- und Bannsymbole in alle vier Himmelsrichtungen.
Nach einigem überlegen fügte er weitere Symbole
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