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0334 - Der Hexenspiegel

0334 - Der Hexenspiegel

Titel: 0334 - Der Hexenspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Publikows Haus lassen sollen.«
    »Wir können es ja wieder zurückbringen.«
    »Nein. Jetzt will ich wissen, was dahinter steckt. Es gibt keinen Geist, den ich nicht irgendwie aus der Reserve locke und mit dem ich nicht fertig werde. Davon bringt mich jetzt keiner mehr ab.«
    Er nahm ein Stück Fettkreide aus dem Koffer, scheuchte Abramov auf die andere Seite des Doppelbetts und zeichnete dann blitzschnell, aber exakt einen Druidenfuß und ein Bannzeichen auf das Spiegelglas. Während er zeichnete, glaubte er einen grauenhaften, schauerlichen Schrei zu vernehmen. IM Spiegel zeigten sich wirre, verwaschene Bilder, die keinen Sinn ergaben, und der Schrei war nervenzerfetzend und langanhaltend.
    Saranow glaubte, das ganze Hotel müsse davon aufgeschreckt werden.
    Aber dann, als er das Bannzeichen vollendet hatte, ebbte der Schrei ab.
    Saranow sah sich zu seinem Assistenten um.
    »Was hast du?« fragte Abramov. »Warum bist du so blaß?«
    »Hast du den Schrei nicht gehört?« fragte der Parapsychologe.
    »Was für einen Schrei?«
    Da wurde es auf dem Gang laut.
    ***
    Igor Semjonow machte sich ebenfalls seine Gedanken über den Spiegel.
    Mitten in diese Gedanken hinein drang der Schrei aus dem Nebenzimmer.
    Es war der Schrei, mit dem das Medium hochgeschreckt war. Weder Boris Saranow noch Leonid Abramov hatten ihn gehört, weil sie beide mit sich selbst und ihren Problemen zu sehr beschäftigt gewesen waren.
    Kapitän Semjonow war darauf trainiert, schnell zu reagieren. Er federte aus dem Sessel hoch, in dem er gesessen und am Wodkagläschen genippt hatte, war im nächsten Moment auch schon auf dem Gang und klopfte an Nataschas Tür.
    »Genossin Solenkowa?« rief er.
    Es kam keine Antwort. Probeweise drückte der Agent auf die Klinke, die sofort nachgab. Er stieß die Tür auf. Das Medium hatte nicht abgeschlossen, hatte also wohl auch noch nicht die Absicht gehabt, zu Bett zu gehen.
    Semjonow sah das Mädchen auf das Fenster zugehen und es öffnen.
    »Genossin Solenkowa! Warum haben Sie geschrien?« rief er sie erneut an.
    Aber das Mädchen reagierte nicht, sondern beugte sich nach draußen.
    Semjonow wurde fahl. Mit zwei, drei weiten Sprüngen durchquerte er das Zimmer, warf sich auf das Fenster zu und sah Natascha nach draußen kippen. Ihre Beine flogen hoch und ihm entgegen. Er widerstand dem Ausweichreflex, nahm es hin, daß er von ihrem Schuh getroffen wurde, und packte mit beiden Händen zu. Er bekam ihre Knöchel zu fassen und hielt fest wie mit Stahlklammern.
    Es gab einen heftigen Ruck, als Natascha stürzte und ihn vor die Fensterbrüstung riß. Dann hing sie unten an der Wand, kopfüber.
    »Was machen Sie denn da für einen Blödsinn, verdammt?« knurrte der Agent. »Sie sind wohl verrückt geworden!«
    Er griff nach, zerrte sie hoch. Jedesmal, wenn er sie mit einer Hand loslassen mußte, um wieder nachzugreifen, schrie sie kurz auf. Sie stemmte sich mit den Händen gegen die Wand, arbeitete mit, um wieder hochzukommen.
    Die kühle Nachtluft schien die Trance, in der sie sich befunden haben mußte, gebrochen zu haben.
    Sie waren beide schweißüberströmt, totenbleich und erleichtert, als Natascha wieder sicher auf eigenen Beinen im Zimmer stand. Sie zitterte am ganzen Leib.
    »Was sollte der Quatsch?« wiederholte Semjonow seine Frage.
    »Ich weiß nicht«, hauchte das Medium gequält. »Ich verstehe das nicht. Ich lag da, war entspannt, und plötzlich hänge ich draußen an der Wand! Wer hat mich hinausgestoßen?«
    »Sie selbst, Genossin. Sie wollten sich wohl das Leben nehmen. Aber warum? Sie sind doch nicht der Typ einer Selbstmörderin.«
    »Nein…«, stammelte sie verstört. »Bestimmt nicht. Ich begreife es nicht. Ich kann mich an nichts erinnern… .«
    Plötzlich versteifte sie sich, zuckte wie unter einem Peitschenhieb zusammen.
    Ihre Hände flogen empor, preßten sich gegen die Ohren. Sie krümmte sich zusammen.
    »Was, zum Teufel, ist denn jetzt schon wieder?« keuchte Semjonow.
    »Dieser Schrei«, wimmerte das Mädchen. »Nebenan… hat jemand geschrien… so furchtbar…«
    Semjonow hatte nichts dergleichen gehört. Aber er kannte Boris Saranow und sein Team lange genug, um zu wissen, daß übernatürliche Phänomene fast an der Tagesordnung waren. So gehäuft wie jetzt waren sie aber noch nie aufgetreten. Die Sache mit dem Spiegel wurde dem nüchternen KGB-Mann unheimlich.
    »Kommen Sie mit«, rief er und zog das Mädchen an der Hand mit sich hinaus auf den Gang. Eine Tür weiter hämmerte

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