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0334 - Der Hexenspiegel

0334 - Der Hexenspiegel

Titel: 0334 - Der Hexenspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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hinzu, die den Spiegelsplitter zwingen sollten, sein Geheimnis preiszugeben.
    Nicole sah zu. Sie kannte die Prozedur einer solchen Beschwörung, und verhielt sich ruhig. Zamorra durfte nicht in seiner Konzentration gestört werden. Nicole würde nur eingreifen, wenn er versehentlich einen Fehler machte oder etwas vergaß.
    Der Meister des Übersinnlichen wollte sich nicht allein auf die Macht seines Amuletts verlassen. Er ging immer öfter dazu über, Weiße Magie direkt einzusetzen. Denn auf sie konnte er sich verlassen, auf das Amulett nicht immer. Neuerdings geschah es auch schon einmal, daß es sich mitten in einer magischen Handlung abschaltete.
    Aber wenn es aktiv war, dann war es von unglaublicher Kraft und Stärke. Es pendelte zwischen beiden Extremen. Zamorra hatte es bislang noch nicht geschafft, es endgültig wieder zu stabilisieren. Zudem bestand die Gefahr, daß ihm Leonardo deMontagne, der Fürst der Finsternis, immer wieder aus Höllen-Tiefen dazwischenpfuschte. Leonardo vermochte das Amulett durchaus zu manipulieren.
    Erfreulicherweise hatte er zumeist andere Probleme, als sich um seinen Erzfeind Zamorra zu kümmern und dessen Aktionen zu stören. Denn nicht von allen Dämonen der höllischen Hierarchie wurde der neue Fürst Leonardo akzeptiert…
    Zamorra ließ sich vor dem Drudenfuß nieder und zog auch um sich herum einen Schutzkreis. Er wollte nicht von der fremden Macht übernommen werden, wenn sie durch seinen Versuch erwachte. Denn seine psychische Sperre verhinderte zwar, daß andere seine Gedanken lesen konnten, aber sie verhinderte nicht, daß jemand ihn unter Geisteskontrolle nahm und ihm gewissermaßen zu einer »ferngesteuerten« Marionette machte.
    Zamorra begann mit einer klassischen lateinischen Beschwörung. Vor seiner Brust hing das Amulett am silbernen Halskettchen. Die handtellergroße magische Scheibe mit den eigenartigen Hieroglyphen und dem Kreis der zwölf Tierkreiszeichen leuchtete schwach. Merlins Stern verstärkte Zamorras fordernde Zauberformeln, seinen magischen Zwang, und lenkte die von ihm gerufenen Kräfte in die richtigen Bahnen.
    Er wollte auf jeden Fall Erfolg haben und sich nicht zurückwerfen lassen.
    Beides für sich, das aktive Amulett und die Beschwörung, hätten ausreichen müssen, dem Spiegelsplitter auf den Grund seines Geheimnisses zu gehen. Beides zusammen mußte jeden Widerstand einer fremden Macht niederwerfen.
    Zamorra fühlte, wie die Umgebung um ihn herum zu verschwimmen begann. Aber er war nicht benommen, sondern hellwach. Unablässig murmelte er die magische Formeln, achtete konzentriert auf die richtigen Betonungen und die richtige Tonhöhe. Es wurde zu einer seltsamen Sprech-Melodie, die selbst Nicole, die unbeteiligt war und nur als Zuschauerin wachte, in ihren Bann zog. Unwillkürlich fragte sie sich, wie diese Melodie wohl mit ihrer Stimme klingen würde.
    Weicher? Intensiver? Fordernder?
    Zamorra starrte auf den Glassplitter im Drudenfuß-Zentrum. Aus dem Verschwommenen heraus begann sich ein Augenpaar zu bilden. Die Umrisse eines Kopfes, einer menschlichen Gestalt, schattenhaft und fließend.
    Zamorra konnte beim besten Willen nicht erkennen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte. Plötzlich strahlte die schattenhafte Gestalt grell auf und versprühte Blitze in Zamorras Richtung, tobte wie eine Furie. Unwillkürlich zuckte er zusammen, fing sich aber gerade noch, um mit seinen Beschwörungsformeln nicht aus dem Takt zu kommen.
    Die geschleuderten Blitze konnten ihm nichts anhaben. Sie wurden noch innerhalb des Kreises reflektiert.
    Wer war diese Gestalt? Und wo befand sich ihr Machtzentrum? Zamorra versuchte seine fordernden Gedanken in diese Richtung zu lenken.
    Plötzlich waren die Augen wieder da. Er ging in ihnen auf, verschmolz mit ihnen. Er sah die verwaschenen Umrisse eines Zimmers. Ein Bild an der Wand, daneben ein Kalender… Zamorra versuchte, die Schrift zu erkennen. War das Kyrillisch? Mußte er in Rußland suchen?
    Er wurde seiner Sache sicherer.
    Plötzlich spürte er sekundenlang eine eigenartige Verbundenheit mit der Fremdmacht. Er fühlte irgendwie etwas aus sich heraustreten. Dann riß der Kontakt ab, und er wußte, daß das Etwas sich nicht aus ihm, sondern aus der fremden Macht gelöst hatte. Zamorra stürzte zurück in das Hotelzimmer in Leicester. Der Glassplitter zerpulverte zu amorphem Staub.
    Erschöpft sank Zamorra zurück.
    »Rußland«, murmelte er. »Es muß Rußland sein. Aber wo? Himmel, ich weiß

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